Großformat:Künstlerische Performance

Lesezeit: 1 min

Anne Imhof ist die Meisterin selbstvergessener Dramatik. Für ihre Performance "Overture" ließ sie sich von dem Foto einer Pariser Modenschau inspirieren.

Von Catrin Lorch

Das Foto stammt von einer Bildagentur. Es zeigt eine Modenschau in Paris, vorgestellt wird die Winterkollektion von Balenciaga. Man braucht einen Moment bis man erkennt, dass sich zwischen den vielen Köpfen der Laufsteg befindet. Weil die Kamera auf das Publikum hält und das Model, das das Bild in der Mitte durchquert, so verloren aussieht im gleichmäßigen Licht. Es könnte auch ein verspäteter Gast sein. Als Betrachter findet man sich kaum zurecht - was vor allem daran liegt, dass man die Schauen in Paris, Mailand oder New York sonst immer nur von vorne zu sehen bekommt: Die Fotografen halten meistens auf die Mädchen und die Kleider - in einer einzigen Vorwärtsbewegung.

Für Anne Imhof war dieses Foto ein Ausgangspunkt, als sie ihre Performance "Overture" vorbereitete, die im April in der Kölner Galerie Buchholz aufgeführt wurde. Eine Vorstellung, die nichts mit den lauten Inszenierungen der Modeindustrie zu tun hat. Die Darsteller, die Imhof verpflichtet hatte, bewegten sich ruhig zwischen einer stählernen Ballettstange, einer Kanzel aus Kunststoff und drei lebenden Jagdfalken. Und wirkten, als könnten sie unerwartet etwas ganz anderes anfangen.

Es ist diese selbstvergessene Dramatik, die Imhofs Werk auszeichnet: Als sie im vergangenen Jahr den Preis der Nationalgalerie in Berlin erhielt, hatte sie Schildkröten durch den Raum kriechen lassen. Im Frankfurter Portikus stand ein Muli zwischen Red-Bull-Dosen herum. In der Galerie von Deborah Schamoni in München stammelten sich die Performer durch Sätze, die zu Endlosschleifen wurden, zur Partitur aus Silben und Satzteilen. Und die Requisiten - Falknerhandschuh oder Mütze - liegen nach der Aufführung so abgekämpft in der Ausstellung herum, als sei die ein verlassenes Spielfeld.

Dass Performance in der zeitgenössischen Kunst gerade hoch geschätzt wird, liegt auch daran, dass Stars wie Marina Abramović auf laute Momente setzen, auf Gewalt, Theatralik und Effekte. Anne Imhof ist das egal.

Die Künstlerin saß selbst im Publikum, auf das der Getty-Fotograf fokussiert hat. Sie war in Paris, weil ihre Freundin für Balenciaga gelaufen ist. Was sie an der Aufnahme wohl schätzt, ist, dass es - wie ihre Performances - still bleibt und grau und abwesend. Inmitten eines hochgezüchteten Moments.

© SZ vom 30.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: