Großformat:Klick, klick

Lesezeit: 2 min

Der amerikanische Fotograf Steve McCurry ist ein Meistererzähler mit Bildern. Aber auf diesem Foto aus Myanmar ist vieles anders.

Von Sonja Zekri

Morgens um sieben in der Militärdiktatur von Myanmar, das Steve McCurry hartnäckig Birma nennt. Die Fischer am Inle-See sind berühmt für ihre akrobatische Art, ihre Boote mit einem irgendwie um das Paddel geschlungenen Bein zu rudern, aber der Mann, den Steve McCurry fotografiert, sitzt. Erkennbar außerdem: Ein blaues Ruder, ein Hut, Hose und Hemd, die sich möglicherweise im Wind bauschen, vielleicht aber auch durch die Spiegelung im Wasser in Bewegung geraten. Der Gesichtsausdruck lässt sich nur erahnen, die Konturen sind fließend. Steve McCurry hat vor sechs Jahren am Inle-See vier, fünf solcher "Reflexionen eines Fischers" fotografiert, und sie könnten nicht ungewöhnlicher sein für einen Fotografen, dessen Bilder meist tiefenscharf bis in den letzten Pagoden-Winkel sind. McCurry, 1950 in Philadelphia geboren, Magnum-Fotograf, vielfach ausgezeichnet, vielleicht am schönsten mit der Ehre, den letzten Kodak-Film zu verarbeiten, ist bekannt für seine leuchtenden, überbordenden, ein wenig nostalgischen Tableaus fremder Welten, für Porträts, deren Gesichter von Ewigkeiten gelebten Lebens zeugen. Alle seine Fotos erzählen Geschichten, manchmal sogar mehrere, einander widersprechende, mit einer altmeisterlichen, fast Vermeer-haften Kunst. Wenn allerdings diese "Reflexion eines Fischers" etwas erzählt, dann ziemlich undeutlich. Und die Versuche, McCurry selbst zum Sprechen zu bringen, bleiben ergebnislos. Die Entstehung seiner Bilder, Gott, was gebe es da zu sagen, "absolut unsexy": "Man geht eine Straße runter, sieht etwas, klick-klick", sagt er am Telefon aus New York. So müsse man sich das auch damals vorstellen. Ein Morgen am Inle-See, diese fantastisch verzerrten Linien auf dem Wasser, klick-klick. Er war oft in Myanmar, 30 Mal mindestens, gab Workshops für Fotostudenten aus der ganzen Welt, auch 2011. Von allen asiatischen Ländern war Birma immer sein liebstes, weil es so tief buddhistisch war, so abgeschieden, so entschleunigt. Eine Sim-Karte kostete 1000 Dollar, das Internet war eine Qual. Und die Diktatur? "Wir fotografierten Tempel, Klöster, Mönche, keine Militäranlagen, wir hatten kein Problem." Und die Menschen? "Vermieden jedes offene Gespräch. Man sah wenige Soldaten, sie waren nicht nötig, so groß war die Angst." McCurry ist niemand, der im Nachhinein Entsetzen heuchelt oder sich ein pompöses "Ich-wollte-Zeugnis-ablegen" an die Brust heftet. Sein berühmtestes Bild, das afghanische Mädchen mit den grünen Augen, Sharbat Gula, hat mehr Verständnis für das Leid des Landes geweckt als viele Meter Text, aber er würde nie sagen, dass das sein Ziel war. Die Reflexionen der Fischer hat er nie veröffentlicht, aber er hofft, dass er einmal ein Buch über Birma macht. Das heutige Myanmar mag er nicht. Zu viele Touristen, zu wenig Geheimnis. Er fährt trotzdem hin. Am 12. März beginnt sein nächster Foto-Workshop. Er ist ausgebucht.

© SZ vom 25.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: