Großformat:Keine Experimente

Lesezeit: 1 min

Der Grafiker Jan Tschichold war ein Visionär seiner Kunst. Er gestaltete das Selbstverständnis der Bauhaus-Zeit. Seine Entwürfe zeigen, wie er zeitlebens um Verständlichkeit gerungen hat.

Von Catrin Lorch

Unter den Gestaltern der Zwanzigerjahre ist sein Name sicher einer der bedeutendsten: Nur wenige Künstler haben zum Selbstverständnis der Bauhaus-Zeit, ihrem Bestreben um Funktionalität und weltläufiger Massentauglichkeit, so viel beigetragen wie Jan Tschichold. Grafik und Typografie, Buchgestaltung und Plakatkunst waren die Bereiche, die von der Avantgarde als erstes vollkommen verwandelt wurden. Noch bevor man von der Architektur der heute ikonischen Dessauer Bauhaus-Fassade sprach oder von den Lampen aus den Werkstätten der Kunstschule, hatte sich die Gestaltung von Plakaten und Büchern, vor allem aber von Zeitschriften und Magazinen bereits vollkommen verwandelt.

Der im Jahr 1902 als Sohn eines Schriftenmalers in Leipzig geborene Johannes Tzschichhold war ein Visionär seiner Kunst. Doch als Experiment wollte er seine Arbeit zeitlebens nicht verstanden wissen. Ihm ging es um Verständlichkeit und Gebrauchsfähigkeit. Wobei sein Bemühen nicht nur auf die Gestaltung von Buchstaben und ihre Anordnung zielte. Er entwarf sogar ein komplett neues Alphabet, dessen Zeichen sprachliche Laute besser reflektieren sollten. Nicht einmal vor seinem eigenen Namen machte der Gestalter Halt: Aus Sympathie mit der aus dem Osten kommenden Moderne nannte er sich erst Iwan, dann vereinfachte er die Schreibweise seines Nachnamens. Auf das Drängen bayerischer Behörden hin - er wurde 1926 an die Münchener Meisterschule für Typografie berufen - führte er dann jedoch den eingedeutschten Vornamen "Jan".

Zu dieser Zeit entstanden auch die abgebildeten Werke, die jetzt von Wissenschaftlern des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Nationalbibliothek in seinem Nachlass gefunden wurden und hier erstmals veröffentlicht sind. An der Collage arbeitete Tschichold gemeinsam mit dem Fotografen Franz Roh, sie ist eine Vorarbeit für den berühmten Umschlag der Zeitschrift foto-auge. Die kleinen Seiten stammen dagegen aus den Notizen von Tschichold. Es gibt Hunderte solcher Blätter, auf denen er Einfälle festhält, Fundstücke klebt oder erste Versuche notiert. Er nannte sie Arbeitsbuch, tatsächlich kann man sie lesen wie das Tagebuch eines Typografen.

© SZ vom 02.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: