Großformat:Hinterland einer Supermacht

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Jeremy Deller wurde für seinen Film über Texas mit dem Turner Prize ausgezeichnet. Jetzt zeigt er erstmals Fotografien, die während der Dreharbeiten entstanden.

Von Catrin Lorch

Ist Gott langweilig? Findet man in der Wüste berühmte Künstler? Und was sagen die Quäker zum Irak-Krieg? Das sind so Fragen, die sich ergeben, wenn man in Texas unterwegs ist. Wo man auch Schulkindern begegnet, die, militärisch kostümiert, auf der Ladefläche eines Trucks gewaltige Holzkreuze und Sternenbanner schwenken. Der britische Künstler Jeremy Deller hat all das mit seiner Kamera dokumentiert. Er ist ein ausdauernder Reisender, der vor allem abseits der Metropolen unterwegs ist, mit einem Blick für Brauchtum, Souvenirs, ortstypisches Kunsthandwerk.

Der 1966 in London geborene Künstler wurde international berühmt mit "The Battle of Orgreave", 2001, der Re-Inszenierung einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen streikenden Bergarbeitern und der Polizei Anfang der Achtzigerjahre, die er im Stil der Freizeit-Reenactments mittelalterlicher Schlachten ausführen ließ. Deller hat Paraden organisiert, ein Archiv für Folk-Art begründet und in Wandmalerei dilettiert, als er 2013 den britischen Pavillon auf der Biennale von Venedig bespielte.

Viele seiner Expeditionen zielten auf die Vereinigten Staaten. Mit dem Film "Memory Bucket", einer Studie zu Menschen und Gebräuchen im Heimatstaat des damaligen Präsidenten George Bush, die im Untertitel "A Film about Crawford, Texas" heißt, gewann er 2004 den Turner Prize, eine der wichtigsten Auszeichnungen der Kunstwelt. Damals interessierte er sich vor allem für die Gegner und Unterstützer des 43. Präsidenten. Sein visueller Roadtrip feierte staubige Straßen, auf denen Autos fahren, die mit gewaltigen Adlerschwingen verziert sind, wo man Bierflaschen in kleinen Pullovern versteckt. Ein Mann wies Deller stolz darauf hin, dass er einer der Überlebenden des "Waco Siege" sei, der Belagerung einer Sekte durch die US-Behörden 1993. Dass alles das Amerika ist - dieses weiße, ultrareligiöse, abseitige Land -, nahm die Kunstwelt damals mit Erstaunen wahr.

Die Einwohner genau dieser Vereinigten Staaten feiern jetzt Donald Trump als 45. Präsidenten. Deswegen hat Jeremy Deller für die S üddeutsche Zeitung Fotografien ausgewählt, die während der Dreharbeiten zu "Memory Bucket" entstanden, von denen viele noch nie gezeigt wurden (alle Fotos: Copyright the Artist). Es ist der Blick eines Europäers auf das Hinterland einer Supermacht.

© SZ vom 14.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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