Großformat:Hier tritt der Bär auf. Sehen Sie ihn?

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Der britische Komponist Thomas Adès hat für die Salzburger Festspiele eine Opernversion von Buñuels "Der Würgeengel" geschrieben.

Von Reinhard J.Brembeck

Als Luis Buñuel 1961 "El ángel exterminador" ("Der Würgelengel") drehte, seinen vierundzwanzigsten Film, sperrte er eine Upper-Class-Gesellschaft tagelang ohne Essen in einen Salon, aus dem sie aus unerfindlichen Gründen nicht ausbrechen konnte. Buñuel verstärkte die klaustrophobische Situation noch dadurch, indem er Schafe und einen Bären mit ins Haus brachte. Die Dreharbeiten mit dem Tier waren schwierig. Buñuel bewaffnete sich dafür mit einer Magnum 44; Kamera und Salon wurden durch eine eineinhalb Meter hohe Barriere vom Rest des Studios abgetrennt. Als der Bär eine Säule erklomm, nahmen alle, Buñuel mit seiner Magnum eingeschlossen, Reißaus.

Unbekannt ist, ob sich der 1971 in London geborene Komponist Thomas Adès während der letzten drei Jahre, als er seine Opernversion des "Exterminating Angel" komponierte, ebenfalls mit einer Magnum 44 bewaffnet hatte. Gesichert dagegen ist, dass Adès, einst von Simon Rattle gefördert und längst einer der stärksten britischen Komponisten, zuletzt die Zeit bei seiner dritten Oper davonlief.

Da die Uraufführung schon in eineinhalb Wochen bei den Salzburger Festspielen stattfindet, setzte der Verleger die für die Proben benötigten und auch schon fertigen Singstimmen im Computersatz und ließ Freiräume, in die der Komponist handschriftlich die Orchesterstimmen eintrug. Adès selbst hat diese Seite 53 seiner Partitur zur Erstveröffentlichung in der SZ ausgewählt. Jetzt kommt Buñuels Bär wieder ins Spiel. "Das ist der Moment, wenn der Bär brüllt", sagt Adès über die hier gezeigte Passage seiner Oper. "Vielleicht sehen Sie ihn auf der Seite!"

Nun mag sich nur ein professioneller Partiturleser exakt vorstellen können, wie der Bär hier musikalisch brüllt. Unschwer aber ist die Gestalt des Tiers in der Partitur zu erkennen: die aufgestellten Haare, der riesig breite Kopf mit dem aufgerissenen Maul, die wild in der Luft herumfuchtelnden Pranken, die um die Säule geschlungenen Hintertatzen. Vermutlich hätte Buñuel mit seiner Magnum auch vor diesem aus Tönen gedrechselten Ungetüm Reißaus genommen.

© SZ vom 16.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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