Großformat:Gustav Metzger

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Der deutsche Künstler wurde mit Werken berühmt, die sich selbst vernichten. Dann tauchten diese Zeichnungen auf.

Von Catrin Lorch

Die Kunstgeschichte kann warten, sie entscheidet selten verfrüht, oft zu spät - und manchmal auch sehr lange gar nicht. Dass Gustav Metzger, der in dieser Woche seinen 90. Geburtstag feiert, einer der bedeutendsten Künstler ist, die im 20. Jahrhundert in Deutschland geboren wurden, ist lange übersehen worden. Zum einen, weil er als Künstler in Großbritannien arbeitete, wo er als 13-Jähriger mit einem Kindertransport gelandet war. Der im Jahr 1926 in Nürnberg als Sohn orthodoxer Juden geborene Metzger entkam so - zusammen mit seinem Bruder Max - dem Holocaust. Nach dem Krieg studierte er in London an der Akademie und ließ sich an der britischen Ostküste in King's Lynn nieder, wo er zeichnete, malte und in einer Kommune lebte.

Doch mit dem Entschluss, nach London zurückzukehren, schloss Gustav Metzger auch mit diesem Teil seines Werks ab. Verpackte alles, was er besaß, in ein paar Kisten, die er auf dem Dachboden einer Garage verstaute. Nach seiner Rückkehr in die britische Hauptstadt wurde Metzger als Aktivist und Künstler eine öffentliche Figur. Er ist Mitbegründer des "Committee of 100", engagierte sich gegen Atomkraft und Umweltzerstörung und entwickelte den Gedanken einer autodestruktiven Kunst: Kein Werk sollte noch auf Ewigkeit angelegt sein, idealerweise zerstören sich Denkmäler durch Rost und Erosion von selbst. Während andere Farbe über die Leinwand laufen ließen, ging er mit Säure auf sie los. Das Konzept für "Project Stockholm" aus dem Jahr 1972 sah nicht nur vor, dass Autos, im perfekten Quadrat geparkt, ein gewaltiges Plastikzelt mit ihren Abgasen füllen, sondern auch - Phase 2 - in diese Hülle gefahren werden, damit das Werk explodiert.

Gustav Metzger, der als schmaler kleiner Mann mit seinem Trolley als feste Größe zur Londoner Szene gerechnet wurde, versagte sich der Zusammenarbeit mit Galerien und dem Betrieb. Er galt lange vor allem als Theoretiker, der im Jahr 1966 bei seinem "Destruction in Art Symposium" mehr Künstler nach London versammelte, als der Kongress der Surrealisten in Paris. Der britische Musiker und Kopf von The Who, Pete Townsend, würdigte Metzger zudem als charismatischen Kunstprofessor, der ihn dazu inspirierte, seine Gitarre auf der Bühne zu zertrümmern. Studenten der Architectural Association erinnern sich bis heute daran, wie sie nach einem Vortrag Metzgers in den Siebzigerjahren das Interieur ihrer würdigen Institution zu Kleinholz zerschlugen.

Doch bleibt von einem so radikal zerstörerischen Werk naturgemäß nicht eben viel übrig. Und als Kuratoren Gustav Metzger nach der Jahrtausendwende wieder entdeckten, gab es nicht viel zum Ausstellen. Die Biennale im Arabischen Emirat Sharjah realisierte Phase 1 des "Project Stockholm". In der Londoner Serpentine Gallery feierte man seine Projektion von Flüssigkristallen "Liquid Crystals". Irgendwann allerdings räumten seine Verwandten ihre Garage auf und entdeckten ein paar alte Kisten. Für Gustav Metzger war es eine Wiederbegegnung mit dem jungen Maler, der er einmal gewesen war: Dutzende Ölstudien, Gemälde, Zeichnungen, Skizzen tauchten aus der Vergangenheit auf .

"Es ist alles noch da", sagte er beim Auspacken: "Ich kann es behalten. Ich kann es verbrennen." Gut, dass die Kunstgeschichte abgewartet hat, es gibt noch einiges zu entdecken: Die Documenta 13 zeigte als Erste das verlorene Werk - die Skizzen, die auf dieser Seite zu sehen sind, wurden vorher noch nie gezeigt.

© SZ vom 16.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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