Großformat:Dem Fegefeuer entkommen

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Im Mittelalter war der Tod kein Tabu. Als Krieg und Seuchen einen jederzeit dahinraffen konnten, musste man darauf vorbereitet sein - zum Beispiel mit dem bebilderten Traktat von Bischof von Fermo.

Von Alexander Menden

November ist der Monat der Toten. Die Katholiken gedenken ihrer gleich zu Beginn, an Allerseelen, und an diesem Wochenende wird der Totensonntag begangen. König Friedrich Wilhelm III. verordnete ihn vor genau 200 Jahren allen preußischen Gebieten als protestantisches "allgemeines Kirchenfest zur Erinnerung an die Verstorbenen". Der Tod hat seine festen Tage. Sonst ist er, größtes Tabu der Gegenwart, weitgehend aus dem Alltag der westlichen Gesellschaften verbannt. Das war nicht immer so. Besonders im Spätmittelalter kannte man als Gegenstück zur Ars Vivendi, der Kunst zu leben, auch die Ars Moriendi - die Kunst zu sterben. Da Krieg und Seuchen die Menschen jederzeit dahinraffen konnten, mahnten erbauliche Traktate dazu, sich möglichst gut auf den Tod vorzubereiten, sündenfrei zu leben und gute Werke zu tun, um sich sein Seelenheil zu sichern und weniger Zeit im Fegefeuer zu verbringen. Die Londoner Wellcome Collection, die auf der Sammlung medizinischer Utensilien und Bücher des amerikanischen Pharmazie-Unternehmers Henry Wellcome aufbaut, hat kürzlich ein seltenes Traktat dieser Art aus einer Privatbibliothek erworben. Dem Bischof von Fermo als Autor zugeschrieben und, untypischerweise, aus dem Lateinischen ins Italienische übersetzt, wurde "Die Kunst des guten Sterbens" 1502 von Giovanni Battista Sessa in Venedig gedruckt. Während der Text Ratschläge für eine gottgefällige Zurüstung auf eine glückselige Überfahrt in die Ewigkeit gibt, zeigen die Holzschnitte Sterbende, deren Vorbereitungszeit abgelaufen ist. In ihren Betten sind sie die zentralen, aber auch die passivsten Figuren der Tableaus. Engel und Teufel umstehen sie; auf Bannern verkünden die Dämonen, dass sie die Hochmütigen bestrafen werden und dass keine Hoffnung für sie bestehe. Auf anderen versichern Engel dem Sterbenden, dass sein Leiden ihm im Jenseits angerechnet wird. Dichte, faszinierende Bilder: Das Leben ist fast vorbei - nun wird die Rechnung präsentiert.

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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