Graphic Novel:Zwischen zwei Leben

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Seine eigene Geschichte hat Uli Oesterle in "Vatermilch" verarbeitet. (Foto: privat)

Zeichner Uli Oesterle mit Comicpreis ausgezeichnet

Von Geraldine Oetken, München

Was wäre wenn. Was wäre, wenn der Vater doch gut gewesen wäre und nicht nur abwesend? Die Lücken im Leben seines Vaters, der die Familie früh verließ, Alkoholiker und obdachlos wurde und bis zu seinem Tod verschwand, füllt der Münchner Comiczeichner Uli Oesterle in seinem neuen Buch "Vatermilch" mit einer fiktiven Handlung. Für den grafischen Roman wurde ihm am Montag von der Berthold-Leibinger-Stiftung der mit 15 000 Euro dotierte Comicpreis 2016 im Stuttgarter Literaturhaus verliehen. 2018 wird der Roman in zwei Bänden erscheinen.

Als fiktive Biografie bezeichnet Oesterle die Geschichte. So hat er aus den Eckdaten, die ihm von seinem Vater bekannt waren, die Figur Rufus Himmelstoss , einen Markisenverkäufer, und dessen Abkehr von der Gesellschaft im München der 1970er Jahre entwickelt. Aber auch einen Victor Himmelstoss, seinen Sohn, einen Comiczeichner. München spielte als Schauplatz schon in früheren Arbeiten Oesterles eine wichtige Rolle. "Ich berichte am liebsten über Dinge, mit denen ich mich auskenne", sagt Oesterle, und so eben auch München.

2010, nach dem Tod seines Vaters, hat Uli Oesterle damit begonnen, an dem Roman, für den er jetzt die Auszeichnung erhält, zu arbeiten. "Für mich ist ,Vatermilch' die persönlichste Geschichte", sagt Oesterle und fügt hinzu: "Schreiben ist Therapie". Nach seinem letzten Comic "Hector Umbra" hat sich Oesterle Zeit genommen, sich zeichnerisch auszuprobieren. Während sein vorheriges Buch "Hector Umbra" noch flächig ist, expressiv, düster und mit kräftigen Konturen daher kommt, zeigt sich "Vatermilch" verspielter, die Konturen wurden stärker aufgelöst, heller. "Die Düsternis bleibt aber trotzdem", sagt der Münchner Comiczeichner. "Der Roman ist ein Riesenprojekt und extrem zeitaufwendig", so Oesterle. Gerade deswegen sei die Unterstützung durch den Preis für die Comiczeichner so wichtig. Trotz aller Fiktion, so wie der Victor Himmelstoss aus der Geschichte das Buch "Vatermilch" für Fans signiert, nahm Oesterle auch seine Auszeichnung für den Comic in Stuttgart entgegen. Victor Himmelstoss und Uli Oesterle überschneiden sich dann doch, in einer parallelen Realität.

© SZ vom 26.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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