Graphic Novel:Prügel & Party

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Die Graphic Novel "Ghetto Brother: Bronx" erzählt nicht nur die Geschichte ihres Protagonisten Bendy Melendez, sondern auch die eines Schlüsselmoments der Popkultur: der Verwandlung von Straßenkämpfern in Hip-Hop-Pioniere.

Von Christoph Haas

New York, die Bronx, in den späten Sechzigern: ein Kriegsgebiet. Das weiße Bürgertum hat den früher beliebten Stadtteil längst verlassen, zurückgeblieben sind die coloured people: Afroamerikaner, Zuwanderer aus Asien und Puerto Rico. Sie hausen in abbruchreifen Gebäuden, die zwischen Ruinen stehen. Die Jugendlichen organisieren sich in Gangs, die einzelne Straßenzüge beherrschen; wer sich auf feindliches Territorium verirrt, muss Prügel fürchten, wenn nicht Schlimmeres. Die Gewalt nimmt immer mehr zu, bis es Benjy Melendez, dem Anführer der fast 2000 Mitglieder starken "Ghetto Brothers", im Winter 1971 gelingt, bei einem Treffen aller Bandenchefs ein Friedensabkommen zu formulieren.

Feiern und Austausch statt Hass und Abgrenzung, das ist fortan, zumindest ein Stück weit, die Devise. Aus Straßenkämpfern werden Partymacher, DJs und Hip-Hop-Pioniere, wie etwa Afrika Bambaataa, der seine "Black Spades" unter dem Motto "Peace, love, unity and having fun" in die "Universal Zulu Nation" verwandelt. Benjy Melendez entdeckt zudem etwas, das sein Leben von Grund auf verändert: Er ist ein "Marrano", ein Nachfahre spanischer Juden, die um 1500 von Königin Isabella brutal verfolgt und in alle Welt vertrieben wurden.

Der Fotograf und Journalist Julian Voloj hat Melendez' Geschichte recherchiert und lässt ihn in der Graphic Novel als Ich-Erzähler auftreten. So entsteht das lebendige Porträt eines ungewöhnlichen Menschen und zugleich eines zentralen popkulturellen Moments, dessen Wirkungskraft bis heute nicht nachgelassen hat. Etwas gewöhnungsbedürftig sind allerdings die schwarz-weißen Zeichnungen Claudia Ahlerings. In ihnen ist der Einfluss von Balthus und Lucian Freud spürbar. Die steifen Posen, die Ahlering ihre oft mit ungewöhnlich großen Köpfen versehenen Figuren gerne einnehmen lässt, stehen zum Sujet in einem Kontrast, der fesseln, aber auch irritieren kann.

Julian Voloj (Text ) / Claudia Ahlering (Zeichnunge n ): Ghetto Brother: Bronx , NY. Avant Verlag, Berlin 2015. 128 Seiten, 19,95 Euro.

© SZ vom 09.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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