"Good Liar" im Kino:Tanz der Betrüger

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Die Schauspielstars Helen Mirren und Ian McKellen spielen im Thriller "The Good Liar" zwei raffinierte Betrüger.

Von Doris Kuhn

Ian McKellen, britischer Schauspieler, ist achtzig. Er spielt schon seit über 20 Jahren alte Männer - Gandalf! -, er kennt sich mit deren Erscheinung aus. In Bill Condons Film "The Good Liar" wirkt er manchmal arg verknittert, was allerdings Teil seiner Rolle ist. McKellen spielt den Hochstapler Roy, zu dessen Interessen nicht bloß das Betrugsgeschäft an Investoren gehört, sondern auch das Betrugsgeschäft an Frauen. Er will eine reiche Witwe ausnehmen, dafür benimmt er sich hinfälliger, als er ist.

Das Schöne an der Zurschaustellung verschiedener Alterstypen, die man im Krimi und Rachefilm "Good Liar" sieht, ist die Bandbreite, die Roy vorführt. Bei seinem weiblichen Opfer Betty in der Vorstadt heischt er mit Gehstock um Mitleid; zurück in London geht er straffen Schrittes ins Nachtleben. In seinem falschen Büro kippt er Champagner mit jugendlichem Schwung. Verstecken lässt sich das Alter irgendwann nicht mehr, aber McKellen demonstriert vergnügt, wie man es durch Bewegung verschwimmen lassen kann.

Betty spinnt ihre Fäden mit größerem Geschick als Roy, sie nutzt die männliche Selbstverliebtheit

Das Vergnügen für Roy liegt in seinem Beruf. Er ist Betrüger, weil es ihm Spaß macht - der titelgebende gute Lügner, der mit viel Aufwand seine Lügengeschichten untermauert. Roy beschäftigt eine ganze Truppe von Mitbetrügern, mit denen er dramatische Auftritte organisiert, um seinen Opfern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Das wird von Bill Condon mit dem nötigen Unterhaltungswert inszeniert, nur gelegentlich flackert eine Irritation auf, kurze Brutalität, eiserne Strenge, unvermutete Sentimentalität. Condon gibt Roy ein paar mehr Persönlichkeiten, als man vermutet, ein Profibetrüger auch er.

Condon ist ein Regisseur, der Starkino macht, also bringt er Ian McKellen mit Helen Mirren zusammen, eine gute Balance für den Film. Roy findet Betty über eine Partnervermittlung online, sie lässt sich relativ leicht von ihm umgarnen, zumindest hat er diesen Eindruck. Beim Zuschauen allerdings sieht man ein anderes Spiel. Betty spinnt ihre Fäden mit größerem Geschick als Roy, sie nutzt die männliche Selbstverliebtheit, die noch immer dazu führt, dass Frauen als harmlos eingeschätzt werden, sobald sie Dauerwelle, Universitätsbildung und Hellblau als Lieblingsfarbe haben. Die beiden tanzen umeinander, aber nur Betty weiß, dass es ein Paartanz ist.

Leider hat Helen Mirren kaum Gelegenheit, sich wie ihr krimineller Gegenpart in Abenteuer zu werfen. Sie wird in dieser Liebesgeschichte auf die Mimik reduziert, wobei es schon spektakulär ist, was für einen abfälligen Blick sie Roy zuwirft, wenn er sie fragt, ob er wohl das Bett mit ihr teilen solle. Spätestens da müsste ihm klar sein, dass Betty keinen Unfug duldet, geschweige denn seine Geliebte werden wird. Dafür jedoch braucht es noch eine Reise nach Berlin, eine Erinnerung an die Nazis, eine lange Vergangenheitsbewältigung mit Löchern in der Logik. Die Konsequenz: Je mehr Betty Roy das Heft aus der Hand nimmt, umso mehr verändert sie auch das luftige Gewicht des Films hin zu einer angestrengten Schwere.

The Good Liar , USA 2019. Regie: Bill Condon. Mit: Helen Mirren, Ian McKellen. Warner, 110 Minuten.

© SZ vom 28.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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