Geschichte des Frauenrechts:Die Zukunft ist weiblich oder es gibt sie  nicht

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Clara Zetkin und die vier Politikerinnen, die im Parlamentarischen Rat das Grundgesetz für die Bundesrepublik erarbeiteten. Illustrationen aus Sabine Kranz und Annegret Ritter (Hrsg): 100 Frauen, und 100 Jahre Frauenwahlrecht. (Foto: Verlag)

Hundert Porträts von Frauen, die um ihre Rechte kämpfen. Vom 1888 von Minna Cauer gegründeten Verein "Frauenwohl" bis zum Kampf um Plätze in den Parlamenten.

Von Roswitha Budeus-Budde

Starker Appellcharakter zeichnet sie aus, die neue feministische Jugendliteratur. Mit ihrem Schwerpunkt auf Frauenbiografien macht sie aber auch deutlich, warum mit dieser Art der Darstellung die wirklichen Probleme der Gleichberechtigung kaum angesprochen werden und gesellschaftliche Verbesserungen für Frauen nur schleppend vorankommen. Schon Anita Augspurg - sie gründete mit ihrer Lebensgefährtin Lida Heymann 1902 den deutschen Verein für Frauenstimmrecht - schrieb: "Die Frauenfrage ist in allererster Linie eine Rechtsfrage, weil nur von der Grundlage verbürgter Rechte an ihre sichere Lösung überhaupt gedacht werden kann."

Von diesem Ziel, das nur gemeinsam erreicht wird, ist in den üblichen Biografien kaum etwas zu lesen, die Frauen werden als Einzelkämpferinnen dargestellt. In ihrem Titel "100 Frauen und 100 Jahre Frauenwahlrecht" gehen die Herausgeberinnen Sabine Kranz und Annegret Ritter einen Schritt weiter. Was verband zum Beispiel mehr als die Wahlrechtsfrage den politischen Kampf von Clara Zetkin mit der Arbeit der Psychoanalytikerin Lou Andreas-Salomé und der Schriftstellerin Ricarda Huch? Für alle drei galt seit 1900 das bürgerliche Gesetzbuch, das "dem Ehemann das Entscheidungsrecht in allen Fragen des Ehe- und Familienlebens zugestand." Die Entwicklung und Veränderung dieses Gesetzes begleitet und ergänzt in diesem Band als laufende Fußnote die chronologisch angeordneten Biografien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Der Zeitbogen beginnt bei Minna Cauer, die 1888 den Verein "Frauenwohl" in Berlin gründete, obwohl es Frauen von 1850 bis 1908 verboten war, Mitglied in politischen Parteien zu sein. Ihre Forderung "Die Frau gehört nicht ins Haus, sie gehört in den Reichstag" ist höchst aktuell, schließlich hat der Bundestag eine Frauenquote von 30,7 Prozent. Die Lebensgeschichten von Beate Klarsfeld, Angela Merkel, Claudia Roth, Petra Pau und Hildegard Hamm-Brücher bekommen so eine besondere Bedeutung. Auch um das Arbeitsrecht für Frauen, um Mutterschutz und Schwangerschaftsunterbrechung wird bis heute gekämpft. Und die Warnung von Claudia Roth, dass einmal erworbene Rechte auch wieder zurück genommen werden können, bestätigt gerade die Politik der populistischen Regierung in Italien.

Natürlich kommen auch bekannte Künstlerinnen zu Wort, und ihre Appelle wirken oft wie Weckrufe für eine bessere Welt. "Ich wünschte mir, ich könnte einen Satz sagen für alle, denen man in Diktaturen alle Tage bis heute die Würde nimmt". schreibt Herta Müller. Doch die Essenz dieses Buches formuliert die streitbare Margarete Mitscherlich: "Die Zukunft ist weiblich oder es gibt sie nicht."

Sabine Kranz und Annegret Ritter (Hrsg): 100 Frauen und 100 Jahre Frauenwahlrecht. Mit Texten von Nicola T. Stuart und zahlreichen Illustrationen. Jacoby & Stuart, Berlin 2018. 192 Seiten, 22 Euro.

© SZ vom 31.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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