Geigertreffen:Packend widerspenstig

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Die Streichertage an der Musikhochschule setzen auf Brahms, Schubert, Sibelius und neue Instrumente

Von Harald Eggebrecht, München

Solchen Andrang gab es bisher nie bei Streichertagen der Musikhochschule, die wieder Violinprofessor Ingolf Turban moderierte und dort auch selbst als Geiger glänzte. Kein Wunder, wenn Helmar Stiehler, einst Celibidaches Solocellist bei den Philharmonikern, und Wen-Sinn Yang, einst prägender Solocellist beim BR-Symphonieorchester, die beiden Cellopartien in Franz Schuberts göttlichem Streichquintett spielen. Kein Wunder auch, wenn Hariolf Schlichtig, ruhmreicher Bratscher des aufgelösten Cherubini-Quartetts, und Jürgen Weber, Solobratscher des BR-Symphonieorchesters, in Johannes Brahms' grandios aufschäumendem Quintett op. 111 die lyrischen Viola-Einreden ins brausende Geschehen werfen. Dazu die Geigerinnen Mi-kyung Lee und Sonja Korkeala beziehungsweise Lorenz Chen. Also frohlockte Ingolf Turban und wies darauf hin, dass es auch um Spenden zugunsten des Trägerkreises "Junge Flüchtlinge e.V./ Schlauschule" gehe. Dort würden rund 220 junge Flüchtlinge analog zum Kernfächerkanon der bayerischen Haupt- und Mittelschulen in bis zu 15 Klassen unterrichtet und zum Schulabschluss geführt. Die Hochschulspende "soll der Förderung von Instrumentalunterricht für junge Flüchtlinge dienen". Nach Brahms und Schubert flossen die Spenden.

Bei Brahms wetteiferten Mi-kyung Lee und Sonja Korkeala mit Wen-Sinn Yang um Schwung und Dramatik, während Schlichtig und Weber eher bedeckt blieben. Schlichtigs neue Viola von Thomas Bertrand näselte etwas in der Höhe und Jürgen Weber nahm sich allzu sehr zurück. Doch Vehemenz und Emphase des Stücks bleiben unbesiegbar. Wie dann Helmar Stiehler das zweite Cello als unbeirrbare Bass- und Rhythmusgruppe bot, Wen-Sinn Yang sich im Zwiegesang mit erster Violine engagierte und Schlichtig und Lorenz als Mittelstimmen dagegenhielten - die Musik packte unmittelbar und riss hin.

Der zweite Abend, Jean Sibelius gewidmet, heuer vor 150 Jahre geboren, hatte einen besonderen Kick: Alle spielten auf neuen Instrumenten, ausgewählt in den Vorwochen. Turban hatte eine in allen Registern gut klingende Thomas-Bertrand-Geige erwischt. Er spielte fünf Danses Champêtres op. 106 und ein Rondino, in sich kreisende Gebilde mit Tanzgestik, doch ohne Tanzfluss. Turban und Pianist Antti Siirala brachten das Anziehende wie Abweisende dieser späten Sibelius-Stücke charakteristisch heraus. Auch die Turban-Studentinnen Amelie Böckheler und Asami Yamada konnten das Widerspenstige in jeweils drei anderen Violine-Klavier-Stücken verdeutlichen. Doch haben beide auf den neuen Violinen die für Sibelius so wichtigen dunklen Farben noch kaum entdeckt.

Der Komponist und Pianist Rudi Spring erläuterte im Gespräch mit Turban die Schaffensphasen des merkwürdigen Finnen, dessen vielschichtiges Werk in Deutschland immer noch wenig bekannt ist jenseits von Violinkonzert und "Finlandia". Der Abend endete mit einer vitalen, weil auf die Geheimnisse dieser tiefgründigen Partitur eingehenden Aufführung von Sibelius' Streichquartett "voces intimae". Turban, Korkeala, Wen-Sinn Yang und Editha Seungwon Chung (2. Violine) ließen die neu gebauten Instrumente gut klingen und singen.

© SZ vom 30.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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