Gehört, gelesen, zitiert:Versuchung

Im Herbst soll ein Spielfilm über die Ballerina Matilda Kschessinskaja in die russischen Kinos kommen. Orthodoxe Fundamentalisten laufen bereits Sturm dagegen. Allein schon, weil der Zar von einem Deutschen gespielt werden soll.

Von Sonja Zekri

Von dem russischen Film "Matilda" des Regisseurs Alexej Utschitel kennt man nicht viel mehr als den Trailer, aber der allein reichte den orthodoxen Fundamentalisten für wüste Angriffe: Protestbriefe, eine Klage beim Staatsanwalt, die Prüfung des Drehbuchs. Ob der Film wie geplant im Herbst in die russischen Kinos kommt, ist offen. "Matilda" ist der Name der Ballerina Matilda Kschessinskaja, der Geliebten des letzten Zaren. Für Russlands Nationalisten ist der Zar ein Heiliger, schlimm genug, dass er von einem Deutschen, Lars Eidinger, gespielt wird. Aber ein Ehebrecher? Unmöglich. Nun hat Utschitel Beistand von höchster politischer Seite erhalten. Premierminister Dmitrij Medwedjew, der sich als Präsident ja bereits als Hoffnungsträger eines freieren, offeneren Russlands gegebe n hatte, präsentierte sich auf dem Forum "Kultur als nationales Projekt" erneut als Hüter des Pluralismus im Gegensatz zu übereifrigen Beamten. Den Titel des Filmes nannte er nicht. Die Internetseite Newsru.com zitiert ihn so:

"Anstelle von Prinzipien, Überzeugungen, Respekt gegenüber anderen Meinungen und Werken zeigt sich oft Aggression und Intoleranz ... Manchmal führt dies zur Verfolgung eines Autors, dessen Werk noch keiner gesehen hat ... Jeder Beamte sollte in sich die Versuchung unterdrücken, dem Künstler zu sagen, was er tun muss ... Das ist eines der wichtigsten Prinzipien des Dialogs zwischen Macht und Künstlern."

© SZ vom 27.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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