Gehört, gelesen, zitiert:Verdorben

Die französische Philosophin Simone Weil schrieb schon 1940 unter dem Titel "Anmerkung zur generellen Abschaffung der politischen Parteien" gegen deren Einfluss an.

Die politischen Parteien haben einen schlechten Ruf, die etablierten von ihnen haben es schwer an den Wahlurnen . Die Kritik an ihnen ist jedoch nicht neu. Die 1909 geborene französische Philosophin Simone Weil, die nach ihrem Studium freiwillig als Arbeiterin in den Renault-Werken tätig und dann bei den internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg im Einsatz war, verfasste um 1940 eine Schrift mit dem Titel "Anmerkung zur generellen Abschaffung der politischen Parteien" (deutsch im Diaphanes Verlag). Erschienen ist der Text erst 1950, sieben Jahre nach dem Tod der Philosophin im Londoner Exil. Politische Parteien seien in ihrem Kern totalitär, schrieb sie, denn die Parteien produzierten Einheitsdenken und seien nur auf ihr eigenes Wachstum aus. Obwohl als Mittel der offenen Auseinandersetzung entstanden, seien sie Instrumente des Gleichmachens geworden. In dieser Entwicklung sieht Simone Weil eine "tragische Ironie":

"Der Kampf gegen die Unterdrückung des Geistes unter der Inquisition hat seinerseits die Unterdrückung des Geistes fortgesetzt. Die Reformation und der Humanismus der Renaissance, ein Doppelprodukt jenes Kampfs, haben nach drei Jahrhunderten des Heranreifens den Geist von 1789 hervorgebracht. Nach einer gewissen Zeit ist daraus unsere aufs Kräftespiel der Parteien gegründete Demokratie hervorgegangen, von denen jede eine kleine verweltlichte Kirche darstellt mit den Waffen der möglichen Exkommunikation. Der Einfluss der Parteien hat das ganze geistige Leben unserer Epoche verdorben."

© SZ vom 31.05.2019 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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