Gehört, gelesen, zitiert:Lhuzekhus Traum

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Im frühen 20. Jahrhundert begannen die britischen Kolonialherren, die Träume ihrer Untertanen zu erforschen. Dabei zeigte sich, dass diese auf dieselbe Weise träumten wie sie selbst. Und dass die Kolonialoffiziere regelmäßig in den Träumen vorkamen.

Um mehr Einsicht in die Gedankenwelt ihrer Untertanen zu erhalten, initiierten die Behörden des Britischen Empire im frühen zwanzigsten Jahrhundert ein Forschungsprojekt, bei dem in Asien, Afrika und im Pazifischen Raum Träume gesammelt wurden. In der Online-Zeitschrift "Aeon" stellt der Historiker Erik Linstrum die Ergebnisse dieses Projekts vor, bei dem der Anthropologe und Psychoanalytiker Charles Gabriel Seligman federführend war. Er fand zu seiner Überraschung in den Traumstrukturen keinen Unterschied zwischen dem "wilden Geist" und dem des "westlichen zivilisierten Menschen". Und was den Ödipus-Komplex betraf, so war in den gesammelten Träumen die Vaterfigur, die aggressive Impulse auslöste, fast immer ein britischer Beamter oder Missionar. Das galt auch für den 1924 aufgezeichneten Traum eines gewissen Lhuzekhu, der in Nordostindien als Dolmetscher für die Kolonialverwaltung arbeitete. Der Träumer warf darin einen Stein gegen den Elefanten des District Officers und schützte einen verzierten Pfosten, der für ihn das Versprechen stolzer Nachkommenschaft bedeutete, rivalisierte also mit ihm um die Vaterschaft.

Ich ging alleine hinunter zur Schule. Ein Elefant, auf dem niemand saß, kam hoch vom Bazar. Ich hatte das Gefühl, dass es Ihr Elefant war. Ich hatte Angst, dass er mich verletzen könnte und warf einen Stein auf ihn. Dann fand ich mich plötzlich in meinem Haus mit meiner Familie ....Wir saßen um das Feuer herum. Plötzlich war da ein heftiger Windstoß. Ich hielt den Pfosten, in der Furcht, mein Haus würde fortgeweht. Der Windstoß hörte auf. Ich schaute nach meinen Pfosten, besonders nach dem mit den Schnitzarbeiten, und sagte: 'Wäre ich nicht für diesen Posten dagewesen, dann wäre mein Haus zusammengefallen und ich hätte eine Menge Ärger gehabt.'"

© SZ vom 08.07.2019 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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