Gehört, gelesen, zitiert:Hoffnungsportfolio

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Was tun, wenn die Aussicht gleich null ist, die Erderwärmung zu stoppen? Der US-amerikanische Schriftsteller Jonathan Franzen hätte da eine Idee.

Der Schriftsteller Jonathan Franzen hat kürzlich vorgeschlagen, die Debatte um die Erderwärmung anders zu führen als bisher . Statt von einem Jüngsten Tag auszugehen, den es mit abstrakten Maßnahmen hinauszuzögern gelte, so Franzen, sollte man sich besser um konkrete Verbesserungen bemühen: Naturschutzgebiete verteidigen, Wälder pflanzen, Ökosysteme bewahren. Jetzt hat er in einem neuen Essay im New Yorker den Gedanken weiterentwickelt. Wir sollten uns, so Franzen, die Vorstellung abgewöhnen, man könne die Klimakatastrophe noch abwenden. Schließlich müsse dazu der globale CO₂ -Ausstoß in den nächsten 30 Jahren auf null gesenkt werden und das sei nicht einmal vage realistisch. Die wissenschaftliche Faktenlage sei seit 30 Jahren bekannt, trotzdem habe die Menschheit in dieser Zeit so viel CO₂ in die Atmosphäre geblasen wie in den 200 Jahren Industrialisierung zuvor. Trotzdem, so Franzen, gebe es Anlass zur Hoffnung:

Wenn Ihre Hoffnung an ein absurd optimistisches Szenario gebunden ist, was tun Sie dann in zehn Jahren, wenn dieses Szenario nicht einmal mehr theoretisch möglich ist? Geben Sie den Planeten dann komplett auf? Wäre ich Anlageberater, würde ich Ihnen ein ausgeglicheneres Hoffnungsportfolio empfehlen, einige längerfristiger, andere eher kurzfristig. Es ist okay, sich gegen die Grenzen der menschlichen Natur zu stemmen, in der Hoffnung, das Schlimmste zu verhindern, aber es ist genauso wichtig, kleinere, lokalere Kämpfe auszutragen, bei denen es eine realistische Chance gibt, sie auch zu gewinnen. Ja, helfen Sie dem Planeten, aber schützen Sie auch, was Ihnen konkret am Herzen liegt - eine Gemeinschaft, eine Institution, ein Ort in der Natur, eine bedrohte Art - und schließen Sie Ihre kleinen Erfolge ins Herz. Alles Gute, das Sie tun, kann als Schutz gegen eine heißere Zukunft verstanden werden, doch wirklich wichtig ist, dass das Gute hier und heute besteht. Solange Sie etwas haben, das Sie lieben, gibt es auch etwas, auf das Sie hoffen können.

© SZ vom 11.09.2019 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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