Niemand wusste besser um den skurrilen Charme künstlicher Intelligenz als Douglas Adams. In seinem "Per Anhalter durch die Galaxis" schlurft Marvin, ein manisch depressiver Android, durch Raumschiffe und über Trabanten. "Ein Kopf so groß wie ein Planet", klagte er "und trotzdem keine Antworten". Auf die Frage nach dem Sinn des Lebens errechnete der Supercomputer Deep Thought nur ein lakonisches "42". Für Adams war eine Zukunft der Computer keine notwendig bedrohliche, sondern eher ideale Gelegenheit, die ewigen Paradoxien des Menschseins ad absurdum zu führen.
Adams schrieb den ersten Teil seiner Saga Ende der Siebziger, zu exakt der Zeit also, da Steve Jobs und Steve Wozniak in einer Garage in Las Altos an den ersten Apple-Prototypen tüftelten. Bekanntlich führte diese Technik aber nicht tiefer in fremde Galaxien, sondern vor allem tiefer in die Sphären des Privaten. Dass in dieser Entwicklung, und entgegen dem dunklen Grundtenor, den die Hochkonjunktur dystopischer Serien, Bücher und Filme gerade vorgibt, immer noch eine Menge komisches Potenzial steckt, will Marc-Uwe Kling mit seinem Roman "Quality Land" beweisen; ein Buch ganz aus dem Geiste Adams geschrieben, über neurotische Androiden und menschliche Idiotie.
In dieser Zukunft wird einem vom Algorithmus der perfekte Partner zugewiesen
In einer nahen Zukunft heißt Deutschland aus PR-Gründen Quality Land. Durch die vollgentrifizierte Hauptstadt Quality City schwirren selbstfahrende Autos und Lieferdrohnen. Produkte erwarten einen an der Haustüre, ohne dass man sie hätte bestellen müssen. Der Algorithmus "The German Code" antizipiert die Wünsche seiner Nutzer perfekt. Auch in den Dating Apps wird nicht mehr geswiped und gechattet, sondern jeder bekommt den für ihn perfekten Partner zugeordnet und, falls es in der Kiste fade wird, einen rechtzeitigen Alternativvorschlag. Der gemeine Bürger in Quality Land trägt einen kleinen, mechanischen Ohrwurm am Trommelfell. Dessen Betriebssystem übersetzt nicht nur, sondern nimmt einem als persönlicher Bordcomputer alles Denken weitestgehend ab. In dieser user-freundlichsten aller Welten hat sich der Mensch vor allem auf sich selbst, was meint, auf seine Außenwirkung zu konzentrieren. Den Rest erledigen Maschinen und Algorithmen.
Marc-Uwe Kling erzählt aus diesem Technik-Utopia die Geschichte des Schrottpressenbetreibers Peter Arbeitsloser. Der heißt Arbeitsloser, weil sein Vater zum Zeitpunkt des Zeugungsaktes arbeitslos war. In Quality Land folgt der Nachname aus dem elterlichen Berufsstatus und damit geht freilich eine ganze Menge sozialer Ballast einher. Peters mieser Job ist es, fehlerhafte Roboter abzuwracken. Doch aus einer reinen Laune heraus gewährt er seit Jahren den zu verschrottenden Maschinen in seinem Keller Asyl. Unter anderem leben dort eine Literatur-Androidin mit Schreibblockade, ein Sexdroide der an echten Gefühlen leidet, ein Drohne mit Flugangst und ein vorlautes Quality-Pad.
Am anderen Ende der sozialen Ordnung steht Martyn Vorstand, das gesellschaftliche Gegenstück zu Peter: ein gelangweilter, skrupelloser, sexgeiler Geldsack mit Vaterkomplexen. Gemäß dem Leitspruch "Technik löst alle Probleme" investierte er eine große Summe in den Wahlkampf des Spitzenkandidaten der Fortschrittspartei John of Us, ein brandneuer Androide. Ein fataler Fehler, denn John of Us ist nicht die erwartete, bürokratische Marionette, sondern eine feinfühlige Superintelligenz mit sozialistischer Agenda.
Um diese drei Erzählstränge herum komponiert Kling eine Reihe skurriler Anekdoten, bei denen man sich nie ganz sicher sein soll, ob sie so vielleicht nicht schon heute stattfinden könnten. Das ist mitunter lustig, etwa wenn Peter in ein selbstfahrendes Taxi steigt: "Schönes Wetter, heute" begrüßt ihn das Auto. "Smalltalk aus," antwortet Peter. Oft sind die Szenen aber beliebig und vorhersehbar. Beginnt der Roman mit viel Situationskomik aus dem Alltag in Quality City, schwingt er schnell um in eine Art "das Beste aus allen schlechten Welten". Die meisten Motive sind Referenzen auf Serien und Filmen wie "Mr. Robot", "Black Mirror" oder "Matrix".
Bei allem Spaß, so scheint Kling uns sagen zu wollen, darf die Botschaft nicht zu kurz kommen. Am deutlichsten wird das an den kleinen Zwischentexten, mit denen Kling sein Buch rhythmisiert. Der Roman steht in zwei Versionen im Buchhandel, einer hellen und einer dunklen, die sich in kleinen Details vor allem dieser Nebentexte unterscheiden sollen. Sie sind Werbeeinspielungen für besondere Produkte aus Quality Land, zum Beispiel FeSaZus (Fette, salzige, zuckrige Snacks) oder konfliktbefreite Bücher (Tolstois "Frieden" statt "Krieg und Frieden").
Im "Quality Land" fehlt das freche Känguru als Gegengewicht zur Moral
Kling übernimmt hier von Adams die Idee eines Reisetagebuchs, darin die absurdesten Dinge der erzählten Welt gesammelt werden. Doch als traue Kling seinen Lesern nicht mehr zu, den satirischen Gehalt seiner Pointen selbst zu entschlüsseln, versieht er sie je nach dem mit Augenzwinkern, Fingerzeig oder einem augenzwinkernden Fingerzeig. Diese Tendenz hatte er schon in den "Känguru-Chroniken", nur entschlackte dort das unverblümt impertinente Beuteltier Klings Gesellschaftssatiren von allem Bedeutungsschwangeren. Ein solches Gegengewicht fehlt in Quality Land über weite Strecken.
Schlimmstes Beispiel ist das Duo aus John of Us und seiner permanent fluchenden Assistentin Aisha Flüchtling. Sie sind als futuristische Version Don Quixotes und Sancho Panzas angelegt, führen jedoch eine durch und durch scherenschnitthafte Windmühlenschlacht gegen die Parteipolitik. Wo Kling sonst so originell pointierte, wirkt sein Humor hier ungewöhnlich platt und uninspiriert und Referenzlastigkeit und Mahner-Duktus belassen seine Figuren in psychologischer Seichtheit.
Die "Känguru-Chroniken" lebten von ihrem Chronikcharakter, also von dem losen Verbinden schneller, witziger Dialoge und kurzer, genau getimter Szenen. Selbst wenn der Autor diesen Drive phasenweise wiederherstellt, für einen Roman reicht das nicht aus. Gerade die Szenen, die Handlung vorantreiben sollen und nicht auf eine Pointe hinauslaufen können, machen Klings deskriptive Defizite deutlich. In einer Welt, die nur mehr aus Oberflächen besteht, wünscht man sich eine Beschreibung dieser Oberflächen und keine bloß oberflächlichen Beschreibungen.
Es ist ein Glück, dass sich Kling gegen Ende wieder auf die Geschichte um Peter, die Cyber-Rebellin Kiki und die kauzige Roboterbande konzentriert und sie in ihrem Kohlhaasschen Aufbäumen gegen das Versandhandelsunternehmen "The Shop", eine pervertierte Version von Amazon, begleitet. Hier kommt es zu großen Szenen, etwa wenn Peter einem anderen selbstfahrenden Auto, eines, das sich ständig verfährt, mit einem alten Stadtplan den Weg erklärt und darüber bald selbst wie ein Navi klingt. Die Grenzen zwischen Mensch und Androide verschwimmen hier auf eine angenehm unmetaphysische Weise an der Schwelle des Makels. Hier schält sich etwas Beruhigendes aus all dem Technik-Pessimismus, etwas, das auch Douglas Adams hätte gefallen dürfen, die simple Beobachtung nämlich, dass an allem Menschlichen, selbst in androidischer Perfektion, ein Zug von Lächerlichkeit haften bleibt.