Galerierundgang:Kohle, Gold und Weihrauch

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Kunst der Unverkäuflichkeit: Die aktuellen Ausstellungen im Hamburger Galerienhaus in der Admiralitätsstraße verraten viel darüber, wie der Handel sich als Komplize der Künstler inszeniert.

Von Astrid Mania

Mit jeder Ausstellung stellt eine Galerie immer auch ihr Selbstverständnis aus. Dazu gehört, so der französische Soziologe Pierre Bourdieu, dass sie ihr eigentliches Handeln verbirgt. Tatsächlich sieht kaum eine Galerie wie ein Geschäft aus, in dem Kunst über die Ladentheke geht. Eher wird die Nähe zum bürgerlichen Ambiente eines Sammlers, der industriellen Rustikalität manchen Ateliers oder der Kargheit des kleinen Projektraums gesucht. Die Galerie trägt dazzle camouflage; sie changiert zwischen einem Ort der Produktion und der Rezeption von Kunst.

Kerstin Kartscher schafft Bildwelten mit Frauenfiguren aus einer Retro-Zukunft

Daraus erklärt sich auch der Widerspruch, dass Galerien vermeintlich unverkäufliche Kunst oder Kunst in vermeintlich unverkäuflichem Format präsentieren. Je weiter sich eine Ausstellung vom Format des Wandabverkaufs entfernt, je (institutions-)kritischer eine Künstlerin mit dem Galerieraum umgeht, umso mehr erscheint die Galerie als Komplizin ihrer Künstlerinnen und der Kunst allgemein. Eine Schau, die ihre Werke unverhohlen als Ware präsentiert, dürfte den meisten Galeriebesuchern Beklommenheit bereiten. So explizit will man es dann doch nicht sehen.

In schönster Verdichtung lässt sich all das zur Zeit im Hamburger Galerienhaus in der Admiralitätsstraße beobachten. Die Bandbreite der jüngst eröffneten Ausstellungen reicht von der Accrochage bis zur biennale-würdigen Großinstallation, dazwischen die klassische Einzelschau.

Martin Assig etwa zeigt bei Holger Priess Zeichnungen und Enkaustik aus der Serie "St. Paul", die über das Leben und den Tod und die Volkskunst und Ornamentik und natürlich das Werk Paul Klees nachdenken (bis 15. Dezember). Bei Karin Guenther sind die sehr eigenen Zeichnungen Kerstin Kartschers zu sehen, die aus Landschafts- und Architekturfragmenten, aus Nautischem, aus ungreifbaren kunsthistorischen Verweisen und Frauenfiguren, die einer Retro-Zukunft zu entstammen scheinen, mit dem Ink Marker Bildwelten erschafft, die immer wieder Zugänge eröffnen und doch ganz bei sich und mit sich bleiben (bis 2. Februar).

Bei Conradi schließlich lässt sich die nicht so seltene Diskrepanz zwischen ambitionierter Ausstellungskonzeption und deren bildhafter Umsetzung beobachten: Wo im Rückgriff auf Flauberts Bildungsroman "L'Education sentimentale" eine Reflexion über die "Führung unseres Lebens" versprochen wird, illustriert die Schau vor allem das Buch und das Lesen selbst (Sentimental Education, bis 15. Dezember).

Bopape lässt den Gesang des Quetzal-Vogels abspielen, der sich in Gefangenschaft tötet

An den äußeren Enden des Spektrums galeristischer Selbstinszenierung befinden sich die Ausstellungen bei Jürgen Becker und bei Sfeir-Semler. Jürgen Becker präsentiert mit seinen "Jewels from the Storage" handelbare Einzelwerk-Preziosen. Wer sich daran stört, dass er dabei ausschließlich Kunst von alten weißen Männern zeigt, dem sei zum Trost gesagt: Diese Zurschaustellung geballter Kunst-marktmacht kann auch in ironischer Verkehrung als deren Abverkauf gelesen werden (bis Ende Dezember).

Bei Sfeir-Semler zeigt Shootingstar Dineo Seshee Bopape eine sämtliche Sinne berührende Installation, die sich mit wenig bekannten Widerstandsakten Kolonisierter gegen ihre Unterdrücker quer durch die letzten Jahrhunderte und den afrikanischen Kontinent befasst. Altarartige Schichtungen aus Lehmziegeln, Faustkeilabdrücke aus Erde, Schallplatten, die Meeresrauschen von afrikanischen Ufern und den Gesang des Quetzal-Vogels abspielen, der sich der Legende nach in Gefangenschaft selbst tötet, Kohle, Gold, der Geruch von Weihrauch und die kleinen Texttafeln der historischen Ereignisse verwandeln den Galerieraum in eine Kult-, vor allem aber eine Gedächtnisstätte: Schon im Ausstellungstitel zitiert Bopape Milan Kunderas Diktum, wonach der Kampf des Menschen gegen die Macht auch der des Gedächtnisses gegen das Vergessen sei (bis 19. Januar 2019).

Während Bopape den kommerziellen Räumlichkeiten die Aura einer Kunsthalle verleiht - die großartige Installation war zuvor im Rotterdamer Witte de With Center for Contemporary Art zu sehen - werden zwei andere Galerien zum Museum und zum Atelier. Ulla von Brandenburg stellt in der Produzentengalerie Teile ihrer Präsentation aus dem Musée Jenisch im schweizerischen Vevey aus, das 1897 über die Grenzen von Kunst und Wissenschaft hinweg von der Hamburgerin Fanny Henriette Jenisch gestiftet wurde.

Aus dem Mauerwerk wachsen Objekte, im Raum erheben sich wächserne Büsten

In diesem feministisch-enzyklopädischen Kontext machen die Auskleidung der Räume mit farbigem Stoff, die Versammlung aus Bildnissen mehr oder weniger bekannter Frauenfiguren wie der Astronomin Margaret Lindsay Huggins oder der russischen Revolutionärin Elisabeth Dmitrieff und Aquarellen von Wasserlebewesen Sinn. In Hamburg jedoch, ohne diesen ortsspezifischen Bezug, geht viel vom Gesamtsinn und Zusammenhalt der Werke verloren (bis 19. Januar 2019).

Alexandra Ranner gelingt dafür bei Mathias Güntner der Übergang vom Atelier in die Galerie, im buchstäblichen wie im übertragenen Sinne: Ganze Entwurfswände, wie sie das nennt, hat sie transloziert und zu einer Momentaufnahme ihres Tuns eingefroren. So steht man inmitten von Notizen, Zeichnungen, kleinen Monitoren, aus dem Mauerwerk herauswachsenden Objekten und Skulpturen. Im Raum erheben sich wächserne Büsten, die ihre Nähe zu Thomas Schüttes geisterhaften "Efficiency Men" und den "Charakterköpfen" Franz Xaver Messerschmidts nicht verleugnen können. Hinter einer Wand versteckt sich ein kurzes, analoges Video.

Es sind "Glückselige Männer", die sich vor einem Fernseher rekeln und plötzlich zu einem beseelten Tanz erheben, um danach wieder in Reglosigkeit zu versinken. Es kommt einem wie eine Metapher auf Ranners Praxis vor: Alles scheint ständig von einem Zustand in den anderen zu morphen, und so wird auch die Galerie zum Holodeck, das uns in ein Atelier versetzt (bis 19. Januar 2019).

© SZ vom 01.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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