Gabriel Matzneff:Päderast und Literat

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In seinen Büchern hat der französische Schriftsteller Gabriel Matzneff aus seiner Vorliebe für Sex mit Minderjährigen nie einen Hehl gemacht. Ein neues Enthüllungsbuch bringt ihn jetzt in Verlegenheit.

Von Joseph Hanimann

Nach Roman Polanski wankt eine weitere Kulturgröße in Paris. Der Schriftsteller Gabriel Matzneff, der aus seiner Neigung für Liebschaften mit Minderjährigen in seinen Büchern nie ein Hehl machte, schien im Milieu lange unantastbar. Das für Januar angekündigte Buch "Le Consentement" ("Die Einwilligung") von Vanessa Springora, Verlagsleiterin bei Julliard, könnte das ändern. Die Autorin beschreibt darin, wie sie vor über dreißig Jahren als Dreizehnjährige dem Charme des angesehenen Literaten "mit der hageren Gestalt eines buddhistischen Mönchs" anheimfiel. Die Warnungen ihrer Mutter, das sei ein Päderast, schlug sie aus. Erst als sie gemerkt habe, dass er solche Liebschaften sammelte wie Blumen am Wegrand, sei sie ausgestiegen.

Zur Bezeichnung "Päderast" hat Matzneff seit seinem 1974 erschienenen Buch "Les moins de seize ans" ("Unter sechzehn") aber lange gestanden. Unerzwungene Liebe mit Teenagern sei etwas ganz Anderes als Kindervergewaltigung, erklärte er und stieß damit kaum auf Einspruch. Der 1936 bei Paris geborene Sohn russischer Emigranten ist eine anerkannte Figur der französischen Gegenwartsliteratur. Sein Erstlingsbuch "Le défi" ("Die Herausforderung") enthielt, ausgehend von seinen Studien über den Selbstmord im alten Rom, feinsinnige Reflexionen über Nihilismus und Glücksverlangen. Die Vorwürfe der kanadischen Schriftstellerin Denise Bombardier in Bernard Pivots Literatursendung "Apostrophes" 1990 gegen ihn wurden als puritanisch abgetan, unter anderen von der Schriftstellerin Christine Angot.

Matzneffs hochnäsig gehässige Reaktion auf Vanessa Springoras Enthüllungen zeigt jedoch die selbstgefällige Seite dieses interessanten Autors. Ihr Buch spreche nicht von ihrer beider einstigen großen Liebe, sondern sei ein böses Machwerk, ließ er pikiert verlauten. Das stimme ihn traurig. Denise Bombardier hingegen freut sich über die Wende: Dreißig Jahre lang habe die Pariser Literaturwelt gekuscht. Der Kulturminister Franck Riester erklärte, literarisches Ansehen sei keine Garantie für Straflosigkeit. Er will das Altersgeld, das Matzneff für seine Verdienste um die französische Kultur bezieht, prüfen lassen. An einer moralischen Hexenjagd ist in Paris aber keinem gelegen.

© SZ vom 31.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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