Französische Nachkriegsliteratur:Abendland in der Frühe

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Hier stirbt eine Welt ab, ohne Dramatik und Tragik: Das Romanfragment aus dem Nachlass Julien Gracqs besticht durch Detailschilderungen einer Kulisse, die auf kein Ereignis mehr wartet.

Von Joseph Hanimann

Mildes Spätlicht liegt über den Berghängen und Steppen eines ermatteten Reichs namens Alt-Brega. Zeitlich und geografisch ist es schwer lokalisierbar. Gerüchte von hartnäckigen Angriffen an den entlegenen Grenzen sind im Umlauf, doch will man in der Hauptstadt des Reichs die Bedrohung nicht wahrhaben. Seine verbleibende Energie ist darauf angelegt, im Ausbalancieren einer zum Stillstand gekommenen Gegenwart eine lange Vergangenheit zu inventarisieren und unter Vermeidung jeglicher Bewegung aus den Archiven und juristischen Verhandlungsprotokollen Gleichgewicht zu fabrizieren, im "Timbre der verbrauchten Müdigkeit" eines nur noch aufs Lebenswichtige sich konzentrierenden Willens, bei den Behörden wie unter dem Volk.

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