Französische Literaturpreise:Prix Routine

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Der ehemalige Reportagejournalist Jean-Paul Dubois bekommt den Prix Goncourt. Der Prix Renaudot geht an Sylvain Tesson.

Von Joseph Hanimann

Man kann es den Goncourt-Juroren nicht verargen, dass sie die diesjährige Preisvergabe in den Glanz einer einstmals großen Entscheidung stellen wollten. Vor hundert Jahren ging der Prix Goncourt an Marcel Prousts "Im Schatten junger Mädchenblüte", den zweiten Teil des Zyklus "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit". So gab die Goncourt-Jury vor einer Woche ihre Shortlist im Strandhotel von Cabourg bekannt, dem Vorbild für den Ort Balbec in Prousts Roman. Das Problem ist, dass die Endauswahl von 2019 schwer gegen jene von 1919 ankommt.

Von den vier Kandidaten der Endrunde hat der literarische Routinier Jean-Paul Dubois mit seinem Roman "Tous les hommes n' habitent pas le monde de la même façon" (Alle Menschen wohnen nicht gleich auf der Welt) im Kleinverlag L'Olivier am Montag das Rennen gemacht. Seine Hauptkonkurrentin war die nicht weniger routinierte Amélie Nothomb, die zuverlässig wie eine Spieluhr alljährlich einen neuen Roman vorlegt und den Preis eigentlich gar nicht nötig hat. Ihr jüngster Roman "Soif" (Durst), ein raffiniert imaginierter innerer Monolog von Jesus während seiner letzten Lebensstunden am Kreuz, hat eine Startauflage von 180 000 Exemplaren.

Jean-Paul Dubois mag es eher handfest. Der ehemalige Reportagejournalist hat keine besondere Stilambition, er betrachtet das Schreiben als ein Handwerk, um eine Geschichte herüberzubringen, Atmosphären zu schaffen und sein illusionsloses Aufbegehren gegen die Ungleichheit des Menschendaseins auf der Welt zum Ausdruck zu bringen. Sein neuer Roman führt einen netten und friedliebenden Mann namens Paul Hansen vor, der in einem Gefängnis von Montréal seinem Zellengenossen, einem wegen Mord verurteilten Mitglied der Hells Angels, sein früheres Leben als Haus- und Seelenwart aller Mitbewohner seiner Wohnresidenz erzählt und nun wegen eines dummen Zwischenfalls doch einsitzt.

Der Prix Renaudot, der traditionell am selben Tag wie der Prix Goncourt vergeben wird, ging an den Abenteurer und Reiseschriftsteller Sylvain Tesson für sein Buch "La panthère des neiges" (Gallimard). Es handelt von der Begegnung mit einer dieser seltenen Raubkatzen im Hochgebirge von Tibet.

© SZ vom 05.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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