Flops und Rekorde der Saison:Farbglühen

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Der Markt ist noch stabil, trotz schwierigem wirtschaftlichem Klima: Eine Saisonbilanz der internationalen Kunstauktionen.

Von Dorothea Baumer

Glorios war die Saison nicht, aber sie ist doch relativ solide zu Ende gegangen. Der Markt für Kunst auf den großen Umschlagplätzen von London und New York zeigte sich stabil. Das ist im derzeitigen wirtschaftlichen Klima nicht wenig. Der globale Auktionshandel ist schwieriger geworden, daran lassen auch die soeben veröffentlichten Konzernumsätze im ersten Halbjahr keinen Zweifel. Sie verzeichnen jeweils Rückgänge gegenüber 2018 und werden von Christie's mit 2,8 Milliarden, von Sotheby's mit 3,1 Milliarden US-Dollar angegeben.

Die spektakulärsten Auktionen der Saison gingen im Mai in New York über die Bühne. Hier stritt man sich minutenlang um Claude Monets farbglühende Impression "Meules", bis das Heuschober-Gemälde mit einem Zuschlag von 97 Millionen, mit Aufgeld für 110,7 Millionen Dollar als teuerstes Werk des Impressionismus daraus hervorging. Und hier wurde Jeff Koons erneut zum teuersten lebenden Künstler gekürt, nachdem seine provozierend kindliche Stahlskulptur "Rabbit" auf achtzig beziehungsweise 91 Millionen Dollar gehoben wurde. In namhaften Privatsammlungen "gereifte" Werke waren es, die in dieser Auktion jeweils zu Höchsteinsätzen herausforderten. Das Gebot der Stunde hieß Marktfrische. Die asiatischen Käufer meldeten sich zurück und engagierten sich in alter Stärke. Afroamerikanische Künstler setzten ihren Erfolgskurs fort, und das gilt gleichermaßen für Künstlerinnen, die stärker und erfolgreicher denn je präsent waren. Zuletzt, Anfang Juli, überraschte die Londoner Altmeisterauktion und zeigte, was in der Sparte noch immer steckt.

Deutsche und österreichische Kunst machte in London eine gute Figur

Der Londoner Moderne-Auftakt im März, gern als ein erster Markttest genommen, war zwiespältig gewesen. Bei Christie's versagte das Spitzenlos, Claude Monets Seerosenbild mit Trauerweide, auf mindestens vierzig Millionen britische Pfund geschätzt, und die 23 verborgenen Schätze, die "Hidden Treasures" einer ungenannten Sammlung, erwiesen sich als Flop mit vielen Rückgängen. Sotheby's fuhr mit einer straffen Auswahl besser. Monets Venedig-Motiv "Palais Ducal" reüssierte dort bei 24 Millionen Pfund, und nicht zuletzt machte deutsche und österreichische Kunst eine gute Figur, darunter Egon Schieles ungewöhnliches Sujet "Triestiner Fischerboot" (1912), zugeschlagen bei 10,7 Millionen, und Oskar Schlemmers "Tischgesellschaft" (1923) aus der Erika Pohl-Ströher-Sammlung, die mit Aufgeld auf 2,6 Millionen Pfund abhob, einen neuen Schlemmer-Rekord markierend.

Reichlich garantiengestützt ging es an die zeitgenössische Kunst. Dabei erfüllte das Starlos bei Christie's, David Hockneys Doppelporträt und Breitwandszene "Henry Geldzahler and Christopher Scott" von 1969, mit 33 Millionen Pfund die Erwartungen bestens. Mit einem hohen Zuschlag von 3,8 Millionen Pfund fiel ein Gemälde Nicolas de Staels ebenso auf wie Anselm Kiefers Leinwand "Das Rheingold" mit einem Rekorduntergebot von 400 000 Pfund gegenüber einer Schätzung von mindestens 750 000. Preisbewusst, aber konstant agierten die Bieter bei Sotheby's und nahmen erstaunliche 91 Prozent der Offerte ab. Darunter rangierten dreizehn Künstlerinnen, deren derzeit teuerste, Jenny Saville, mit 4,8 Millionen Pfund für "Juncture", einen weiblichen Torso, ihren Status bestätigte, während Lucian Freuds frühes Knabenbild "Head of a Boy" aus den Fünfzigern taxgerechte 4,9 Millionen erreichte und Jean-Michel Basquiats "Apex" mit gut sieben Millionen knapp darüberlag. Die sehr ungleichen Offerten spielten 93,2 Millionen (Sotheby's) beziehungsweise 85,7 Millionen Pfund (Christie's) ein. Das Auktionshaus Phillips schloss sich mit bemerkenswerten 36,38 Millionen Pfund für nur 25 Lose an, mit Gerhard Richters "Düsenjäger" in Führungsposition (13,5 Millionen).

Von ihrer tückischen Seite zeigte sich indes die Moderne in den Londoner Juni-Auktionen. Drei vor der Auktion zurückgezogene Lose und ein mit mehr als 25 Millionen Pfund angesetztes Spitzenlos, das floppte (Fernand Légers kubistische Komposition "Femme assise dans un fauteuil" von 1913), waren mehr, als der Rest des Angebots bei Christie's ausgleichen konnte. Das vermochten nicht einmal die Zeitgenossen, da auch hier die Bieter haushälterisch blieben und selten über die Schätzpreise hinausgingen. Nicht im Falle Jean Dubuffets allerdings, der das Spitzenlos mit "Cérémonie" stellte (7,5 Millionen), noch im Falle Jean-Michel Basquiats (7,2 Millionen), der Joker noch in jeder Zeitgenossen-Auktion der Saison.

Sotheby's setzte auf Marktfrische und hatte Erfolg mit Modigliani und Pissarro und verdreifachte den bisherigen Rekord für ein Blatt von Alfred Kubin (790 000 Pfund). Nicht unerwartet machte ein seltenes, zudem frühes informelles Gemälde von Wols, "Vert Strié Noir Rouge" von 1946/47, Karriere: mit 400 000 geschätzt, bei 3,8 Millionen zugeschlagen, von einem deutschen Sammler für gut 4,5 Millionen Pfund übernommen. Albert Oehlens Selbstporträt aus der Sammlung Falckenberg setzte mit 5,2 Millionen Pfund eine neue Rekordmarke.

New York blieb die Ausnahme im routinierten Geschehen mit hohen Steigerungen für kanonische Werke guter Provenienz, wie Cézannes Stillleben und Van Goghs Asyl-Ausblick aus der Sammlung Newhouse mit 52 und 35 Millionen Dollar; für Schlüsselwerke, wie Robert Rauschenbergs Öl- und Siebdruckarbeit "Buffalo II" von 1964, von Robert B. Mayer 1965 erworben und nun zum Rekordpreis von 78 Millionen Dollar zugeschlagen; für singuläre malerische Außenseiterpositionen wie Balthus' Thérèse-Szene oder Pierre Bonnards Terrassenbild (16,5 und 17 Millionen Dollar); während Werke von Warhol, Lichtenstein und de Kooning unter ihren Taxen blieben.

Ausgerechnet die Alten Meister boten dann in London den überraschendsten Abend, den Sotheby's mit einer opulenten Offerte eröffnete und mit dem höchsten Einspielergebnis seit 2014 beendete (56 Millionen Pfund). Die attraktiven Gemälde stammten aus dem Besitz von Graham Kirkham, bestachen durch barocke Sinnlichkeit und Dramatik (Johann Liss und Jusepe Ribera), manieristische Delikatesse (Joachim Wtewael) und die Seltenheit eines englischen Landschaftsmotivs (Thomas Gainsborough). Fern von Spekulation ein durchschlagender Erfolg.

In Wien fiel das rege Interesse an den Alten Meistern auf

Das Auktionsgeschehen mag sich auf dem europäischen Kontinent in bescheideneren Dimensionen abspielen, doch waren hier ähnliche Bewegungen zu beobachten. So fiel im Dorotheum in Wien das rege Interesse an den Alten Meistern auf, das sich, jenseits des Hochtaxierten, in einer Reihe erstaunlicher Steigerungen bis zur dreifachen und siebenfachen Taxe niederschlug. Ein Habsburger Renaissanceporträt profitierte davon ebenso (280 000 Euro) wie ein barocker Heiliger Hieronymus des Joost Van de Hamme (260 000) oder Artus Wolfferts Monumentalszene "Vier Elemente" (260 000). Die Moderne hatte einige gravierende Rückgänge zu verzeichnen, auch bei den Zeitgenossen war das Spitzenlos von Günther Uecker (400 000) glücklos. Dafür stand Jean Dubuffets raue Landschaft "Bon Espoir" von 1955 bereit, die mit 600 000 Euro auf die doppelte Taxe gehoben wurde, mit Aufgeld gut 735 000 Euro kostete. Andy Warhols Siebdruckarbeit "Judy Garland and Liza Minelli" brachte noch einmal 390 000.

Moderne-Lose zählten indes zu den erfolgreichsten in Kollers Züricher Juni-Auktionen: eine impressionistische Sommerlandschaft von Alfred Sisley (670 000 Franken) und als denkbar fernster Gegensatz dazu eine schrille Schönheit aus René Magrittes seltener, auf Provokation angelegter "Période Vache" von 1948 (360 000).

Und eine weithin gut abgenommene Moderne war es, die das Auktionshaus Kornfeld in Bern ein Gesamt von 36 Millionen Franken resümieren ließ. Das spektakulärste Gebot von 2,2 Millionen Franken galt Edvard Munchs Holzschnitt "Zwei Menschen - Die Einsamen" (1899). Marc Chagalls großformatiges Spätwerk "Le rêve au cirque" reizte bis 1,6 Millionen, Wassily Kandinskys kleines Öl "Spalte/Fissure", leicht unter der Schätzung, bis 1,2 Millionen. Der höchste Einsatz von drei Millionen Franken galt Schweizer Kunst des 19. Jahrhunderts: Albert Ankers Tee-Stillleben aus dem Jahr 1873.

© SZ vom 31.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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