Filmpreis:Hier, jetzt

Bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises hatten es historische Stoffe schwer. Der Gewinner des Abends war ein rauschhaftes Stück Gegenwart.

Von Anke Sterneborg

Viel Geschichte gab es in diesem deutschen Filmjahrgang, wichtige Aufarbeitung in verschiedenen Variationen, quer durchs 20. Jahrhundert, von den Nazis in "Elser" und "Im Labyrinth des Schweigens" bis zu den Neonazis in "Wir sind jung, wir sind stark". Doch was am Ende triumphierte bei der Verleihung des deutschen Filmpreises am Freitagsabend, war der vibrierende Moment im Jetzt und Hier einer Berliner Nacht, dieser einzige, wilde, wahnwitzige, filmische Atemzug von Sebastian Schippers "Victoria". Mit sechs von sieben möglichen Preisen wurde der in einer 140 Minuten langen Einstellung gedrehte Favorit des Abends gefeiert. Preise gab es für die beste Filmmusik von Nils Frahm, die beste Kamera von Sturla Brandt Grøvlen, für die Hauptdarstellerin Laia Costa, den besten Hauptdarsteller Frederick Lau, die beste Regie und schließlich im Finale die goldene Lola für den besten Film. Aber auch Bronze und Silber huldigten eher dem Heutigen, "Die Zeit der Kannibalen" und "Jack", ansonsten gab es für Dominik Grafs "Geliebte Schwestern" und für Christian Petzolds "Phönix" nur Trostpreise, für Kostüm beziehungsweise Nina Kunzendorf als beste Nebendarstellerin. Die Verleihungsgala kehrte in diesem Jahr in den alten Berliner Westen zurück, ins Palais am Funkturm. Zum zweiten Mal unter der Moderation von Jan Josef Liefers präsentierte sich die Branche mit viel Herz, allzeit bereit vom Protokoll abzuweichen, was vor allem Michael Gwisdek auf hinreißende Weise gelang, in einem minutenlangen, komisch improvisierten Solo.

© SZ vom 20.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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