Filmfest München:In der magischen Stunde

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Kubrick in einer Biografie von Jan Harlan

FRITZ GÖTTLER

Er war ein filmmakers' filmmaker. Die Kollegen liebten ihn, Kritiker hatten meistens Probleme mit ihm und seinen Filmen. Wir wussten ziemlich sicher, he's the man, erklärt breit und langsam Jack Nicholson, als er erzählt, wie er und Kubrick Stephen Kings "Shining" auf die Leinwand brachten.

Die "Space Odyssey" war die Wende, von da an bestimmte Rotation das Werk. (Foto: Verleih)

Jan Harlan war der Schwager und seit "A Clockwork Orange" einer der engsten Mitarbeiter Kubricks. In seiner Dokumentation "A Life in Pictures" baut er den Mythos Kubrick auf, durch eine reiche Montage von Filmclips, Statements der Mitarbeiter und Freunde, Elogen der Kollegen - aber immer wieder gibt es Risse und Spalten in diesem Kubrick-Bild, und dann wird hinter der heimeligen Fassade jener Wahnsinn sichtbar, der seine Filme grundiert. Faszinierend die home movies, die der Vater machte, da sieht man für ein paar Sekunden den kleinen Stanley am Klavier mit seiner Schwester. Mit den großen runden Kubrickaugen lugt er hinter ihr hervor, direkt in die Kamera - das ist bereits der Blick des Filmemachers, der wissen will, welche Wirkung die Bilder der Kamera haben können und wie man sie am besten erzeugt.

Wir sahen den Vorspann, erzählt Martin Scorsese von "Dr. Strangelove", und wussten, alles ist möglich. Und kann ein Lachen nicht unterdrücken, das infernalisch ist. Kubrick war ein Spieler, ein Schachfanatiker, ein Ping-Pong- Fan. Er hat damit eine Verwandtschaft demonstriert von Kino, Schach, militärischen Schlachten. Wenn man die kurze Passage sieht, die dem nicht beendeten Napoleon-Projekt gewidmet ist, meint man die Verwandtschaft unmittelbar zu spüren, psychisch wie physisch. Die Sets von "2001" betritt Kubrick wie ein Feldherr. Er hatte als Fotograf gearbeitet, kannte sich aus mit den Kameras. Süffisant wird die Geschichte vom Kameramann Lucien Ballard erzählt, der mit Kubrick "The Killing" drehte und für eine komplizierte Parallelfahrt das vom Regisseur gewünschte Objektiv auswechseln, die Kamera ein wenig wegrücken wollte - um sich die Arbeit der Ausleuchtung zu erleichtern ...

Manchmal wird hier Selbstverständliches wieder unsicher. Die Provokation, die "Lolita" bedeutete - und später "Clockwork Orange", dem Ähnliches widerfuhr wie den "Natural Born Killers" des Oliver Stone. "Spartacus", der einzige Antikfilm, der ohne Jesus auskommt. "Full Metal Jacket", ein Film, der die Barbarei, aber auch die Schönheit des Krieges sichtbar macht. Oder der Komponist Ligeti, der sich wunderbar verstanden fühlt vom Filmemacher und dem vor Glück die Worte fehlen. Die "Space Odyssey" war die Wende, von da an bestimmte Rotation das Werk, das Leben, und Kubrick hat endgültig die Vorstellung von Progression, von Fortschritt aufgegeben.

Das ist ein optimistischer Film, sagt Jack Nicholson, als er von "The Shining" erzählt. Es geht darin um Geister. Und alles, was sich mit den Ereignissen nach dem Tod beschäftigt, ist irgendwie optimistisch. Wir haben meistens in der magic hour gedreht, erinnert sich der Kameramann an "Full Metal Jacket": Wenn man ein wenig erschöpft ist und das Licht ganz wunderbar ist.

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