Film: "Den Hörer in der Hand":"In Wirklichkeit waren sie Bauernopfer"

Lesezeit: 2 min

Wenn das Münchner Werkstattkino einen Film wiederholt, muss er bei der ersten Aufführung für Furore gesorgt haben. Nach der Dokumentarfilm "Den Hörer in der Hand" wurden beim Bayerischen Rundfunk zehn Mitarbeiter entlassen.

Jürgen Schmieder

Es sollte ein ehrlicher Dokumentarfilm werden, den Regisseur Tom Kimmig für den Bayerischen Rundfunk drehen sollte. Gleichzeitig war es sein Abschlussfilm an der Filmakademie in Berlin.

Löste Entlassungen beim Bayerischen Rundfunk aus: der Film "Den Hörer in der Hand". (Foto: Foto: Kimmig)

Selbstkritisch sollte der Film werden, so die Ansage der Verantwortlichen des Bayerischen Rundfunks. "Den Hörer in der Hand" - so der Titel des Films - sollte einen Blick in den Alltag des Hörerservice von Radio Bayern Eins werfen.

Der Service dient offiziell dazu, den Hörern weitere Information zu Programmen und Moderatoren zu bieten. So ist es gedacht. Inoffiziell jedoch wird der Hörerservice als eine Art Beschwerdetelefon geführt, bei dem sich die Hörer ausheulen dürfen. Eine Tatsache, die Kimmigs Film unterhaltsam - und im Auftrag des Bayerischen Fernsehens - dokumentierte.

"Ich finde es ja gut, dass es so etwas wie den Hörerservice gibt", sagt Kimmig über seinen Film. Nur der Umgang der Verantwortlichen mit dem Service sei ihm unehrlich vorgekommen. "Das wurde mir aber erst bei der Freigabe des Films bewusst."

Als die Verantwortlichen nämlich den Film vor der Ausstrahlung intern begutachteten, muss ihnen die Brisanz aufgefallen sein. Denn schnell wurde der Film aus dem Programm genommen, auf eine öffentliche Aufführung sollte verzichtet werden.

Doch damit nicht genug: Radio Bayern 1 entließ zehn der zwölf Mitarbeiter im Hörerservice. Umstrukturierungsmaßnahmen nannte man das damals. "In Wirklichkeit waren sie Bauernopfer", sagt Kimmig. Denn die Telefonisten hielten sich an die Anweisungen des Bayerischen Rundfunks, es gab also keinen sachlichen Grund dafür, sie hinauszuwerfen.

Was die Brisanz an dem Film war, kann der Regisseur nicht nachvollziehen. Auch die Mitarbeiter des Hörerservice, die als Darsteller mitwirkten, konnten keinen skandalösen Inhalt entdecken. Der Dokumentarfilm zeigt lediglich die tägliche Arbeit im Telefonservice und den Inhalt der Höreranrufe. Aber irgendetwas muss den Verantwortlichen aufgefallen sein.

Der Film löste also bereits vor seiner Aufführung einen Skandal aus. Der Bayerische Rundfunk wollte eine öffentliche Ausstrahlung verhindern. Dennoch gelangte der Film vor zwei Jahren ins Werkstattkino München. Und wurde ein voller Erfolg.

Vier Tage lief er dort, jede Vorstellung war ausverkauft, sogar zusätzliche Stühle mussten angeschafft werden. "Das lag vielleicht auch daran, dass vor allem Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks den Film sehen wollten", sagt Kimmig.

Zwei Jahre sind nun vergangen, den Hörerservice gibt es immer noch. Den Film auch. Und der wird nun - eine Seltenheit im Werkstattkino München - wieder gezeigt. Von Montag bis Donnerstag jeweils um 20.30 Uhr und von Freitag bis Sonntag um 18.30 Uhr wird "Den Hörer in der Hand" aufgeführt.

Damit hat das Werkstattkino München einen brisanten Film ausgesucht, um den 30. Jahrestag zu feiern.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: