Festival:Süchtig nach der Ungewissheit

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Sascha Stadlmeier widmet sein Leben den Klangexperimenten und bringt die lokale Szene zusammen mit dem internationalen Experimentalmusik-Underground

Von Sabine Reithmaier

Eigentlich ist das Klangkunstfestival "re:flexions" ein Geburtstagsfest. Sascha Stadlmeier wird nämlich 41. Weil der Augsburger Klangkünstler den Tag mit Musikern feiern will, die ähnlich ticken wie er, startete er vor einigen Wochen im Internet einen offenen Aufruf und lud zwölf Musiker aus Europa und den USA ein. "Ich hoffe, es wird ein toller Abend", sagt er.

Für Menschen, die sich gern auf Klangexperimente zwischen Elektronik, akustischen Instrumenten und Stimmkunst einlassen, wird er das sicher. Dank seiner guten internationalen Kontakte in die experimentelle Elektronikszene hat er eine illustre Gästeliste zusammengestellt, von der italienischen Sängerin und Schauspielerin Donatella Bartolomei über den Münchner Sounddesigner und Filmkomponist Friedemann von Rechenberg bis hin zum Amerikaner Eric Leonardson, der ein selbsterfundenes Instrument, ein Springboard, spielt. Voraussetzung war, dass sie bereit sein mussten, mit ihnen unbekannten Künstlern zusammenzuarbeiten, um mit diesen etwas Neues zu entwickeln. "Damit schaffen wir eine wirklich experimentelle Situation, die für die Musiker ebenso spannend ist wie für das Publikum", sagt Stadlmeier.

In fünf halbstündigen Konzerten werden 13 Musiker aus Deutschland, Österreich, Italien, Schweden, Spanien und den USA zum ersten Mal überhaupt zusammen auftreten. Organisiert hat das Festival der Augsburger Sascha Stadlmeier alias Emerge. (Foto: re:flexions sound-art festival)

Im Gegensatz zu manchem seiner Gäste hat er keine klassische musikalische Ausbildung - sieht man von etwas Blockflötenunterricht in der Grundschule ab. "Ich bin kompletter Autodidakt." Die Liebe zur Musik entwickelte sich durchs Hören. "Seit meinem 14. Lebensjahr bin ich Musikfanatiker." Erst sympathisierte er mit Gothic, dann faszinierte ihn Ambient, also jene Musik, in der ruhige Flächen, meist elektronisch generiert, vor sich hinwabern. Bald begann er Klänge zu erforschen und minimalistische Kompositionen zu entwickeln.

Zu den Gästen zählt der studierte Jazz-Saxofonist Jan Kiesewetter aus Augsburg. (Foto: re:flexions sound-art festival)

Nach den ersten Gehversuchen nannte er sich und sein musikalisches Projekt "Emerge". Das Tonmaterial gewinnt er durch Field Recording, wobei er sich meist auf eine Klangquelle konzentriert. "In einem Set habe ich nur Feuer-Sounds." Die er freilich so bearbeitet und verfremdet, dass sie höchstens rudimentär erkennbar sind. "Puristisch" sei das, was er mache, findet er. "Aber ich habe Freude am Klang und an der Entdeckung neue Strukturen." Bereits 2000 gründete Emerge ein eigenes Label, zunächst nur um eine Plattform für seine Musik zu haben. Seit 2011 veröffentlicht "attenuation circuit" auch Musik andere Künstler. Damals sah er in der Musik auch noch eher sein Hobby, nicht seinen Beruf. Das Geld verdiente er als Musikeinkäufer bei einem großen Buchhändler. Neun Jahre lang. "Aber dann wollte ich das machen, wofür mein Herz brennt." Er gab seine Stelle auf.

Auch Eric Leonhardson wird auftreten. (Foto: re:flexions sound-art festival)

Eine gewagte Entscheidung, die er da vor eineinhalb Jahren traf. Leicht ist es nicht, mit dieser Musik den Lebensunterhalt zu verdienen. Die Szene ist zwar international vernetzt, aber doch verhaftet in der Nische - regional oft unbeachtet und verstreut mit Klein- und Kleinstprojekten. Stadlmeier jedenfalls tourt ständig, ist viel in unterschiedlichen Besetzungen unterwegs, die Gagen sind winzig. Inzwischen veröffentlicht er improvisierte Musik auch unter eigenem Namen: Die jüngste CD "re-encypher" hat er mit Anja Kreysing (Akkordeon) und Dan Penschuck (Percussion) aufgenommen.

Regelmäßig organisiert er Konzerte für zumeist experimentelle Musik in Augsburg, versteht sich als Bindeglied zwischen der lokalen Klangkunst-Szene und dem internationalen Experimentalmusik-Underground.

Was das Festival betrifft: Fünf 30-minütige Performances sind geplant, bei der zwei bis drei Musiker eine neue Komposition erarbeiten oder gemeinsam improvisieren. "Ich bin jedenfalls schon sehr neugierig drauf, was an diesem Abend entstehen wird."

re:flexions. Sound-Art-Festival , Fr., 20. Juli, 20 Uhr, Kulturhaus Abraxas, Augsburg

© SZ vom 19.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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