Fantasy:Funkes Labyrinth

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Cornelia Funke, Guillermo del Toro: Das Labyrinth des Fauns. Aus dem Englischen von Tobias Schnettler. Bilder von Allen Williams. S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2019. 318 Seiten, 20 Euro. (Foto: Verlag)

In ihrem neuen Buch "Das Labyrinth des Fauns" erzählt Cornelia Funke die Geschichte des Films von Guillermo del Toro und ergänzt sie mit neuen fantastischen Erlebnissen.

Von Fritz Göttler

Du musst ein Buch für mich binden, sagt der Faun, als er plötzlich in der Werkstatttür vor Meister Caraméz steht: "Ein Buch, das alles enthält, was ich weiß, aber nur zeigt, was ich ihm zu zeigen befehle." Zeigen und verschweigen - der Buchdrucker runzelt die Stirn. Er ist nicht sicher, ob er den Augen des Fauns vertrauen kann, die so blassblau schimmern.

Man kennt diesen Faun aus dem Film "Pans Labyrinth/El laberinto del fauno", 2006, von Guillermo del Toro, ein knotiger, verdrehter, undurchschaubarer Geselle, der hinter den Kulissen unserer Welt Regie führen soll, im Auftrag seines Herrn, des Königs der Unterwelt. Man kennt auch das Buch, von dem da die Rede ist, das der Faun dem Mädchen Ofelia, der Heldin des Films, überreicht - und wirklich, beim ersten Durchblättern wundert sie sich, dass es lauter leere Seiten hat. Sie hat das Reich des Vaters verlassen, ist in die Oberwelt gegangen und wird dort all ihre Erinnerungen an unten verlieren. Wenn sie das Buch des Fauns dann braucht für die Rückkehr, werden dessen Seiten sich füllen. So ist das Buch wie die leere Kinoleinwand, die sich bei der Projektion des Films mit Geschichten, Bildern, Zeichen zu füllen beginnt.

Was man nicht kennt aus dem Film, ist die Szene mit Meister Caraméz. Cornelia Funke hat sie dazuerfunden, als sie den Film - "mein Lieblingsfilm, seit vielen Jahren" - in ein Buch verwandeln durfte, auf Aufforderung des Filmemachers persönlich und zu seiner größten Befriedigung. Zehn "Interludes" hat sie eingefügt, Interludes, die das Gewebe des Films fortführen und ergänzen sollten, Szenen aus der Vorzeit, jenseits der Oberwelt. Diese Oberwelt ist das Spanien des Jahres 1944.

Der Bürgerkrieg ist zu Ende, aber das Land ist zerrissen, Francos Militärs und Bürokraten führen ein unerbittliches Regime, wollen jeden Widerstand ersticken, den die unterlegenen Revolutionäre im Widerstand in den Bergen noch leisten. Der Capitán Vidal, abkommandiert in eine Mühle in einer verlassenen Berggegend, ist besonders unerbittlich, er stellt seine Männlichkeit aggressiv zur Schau, ein Sadist und Folterer. Sergi López gibt ihm ein schneidiges, schneidend scharfes Profil. Er steht vor dem Spiegel und rasiert sich mit Bedacht. "Wenn das Messer über seine Wangen und sein Kinn schabte, wurde die Schärfe der Klinge Teil von ihm."

Cornelia Funke ist eine versierte und poetische Erzählerin, aber eben diese Poesie verträgt diese Geschichte von Unterdrückung, und Erlösung, von Heimatlosigkeit und Suche nach Geborgenheit nicht. Und nicht die süßliche Moral des Erzählens, die Funke entwickelt, das "Bekenntnis zu Verantwortlichkeit und menschlichem Mut", wie sie in einem beigefügten Brief an die Leser schreibt, und "der Verpflichtung, sich dem Bösen entgegenzustellen, auch wenn das große Opfer verlangt". Das Kino aber kennt keine Moral, Guillermo del Toros Film ist von einer glasklaren Härte, seine Kamera streicht um die Figuren wie die klackernden Elfen um Ofelia. Selbst dem Capitán Vidal kommen wir auf diese Weise nahe, der unbedingt einen Sohn will, in dem sein Wesen und die Erinnerungen an ihn überleben mögen. Er ist, in seinem armseligen Trotz ein bestürzendes Abbild des modernen Faschismus.

Guillermo del Toros "Faun" ist damit ein politisches Märchen, Cornelia Funkes Erzählung bei aller Sensibilität und Intuition, bleibt rein im Poetischen. Das Labyrinth, als Ort der Entscheidungen, bewahrt allein seine Größe.

© SZ vom 16.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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