Fall Emig: HR-Intendant Reitze sagt aus:Ein stoischer Auftritt

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HR-Intendant Helmut Reitze lässt die Fotografen und den Richter abblitzen und belastet Ex-Sportchef Jürgen Emig. Die Verantwortung für finanzielle Beistellungen streitet er ab.

Markus Zydra

Helmut Reitze bleibt im Verhandlungssaal einfach stehen, auch dann noch, als der Vorsitzende Richter ihn nach der Pause ausdrücklich ermuntert, er könne sich jetzt wie alle anderen setzen. Doch der Intendant des Hessischen Rundfunks (HR) verharrt aufrecht und lächelt geübt in Richtung der Zuschauerbänke.

"Der war's!" HR-Intendant Reitze zeigte sich leicht genervt von den Fragen des Richters. (Foto: Foto: dpa)

Er wartet stoisch, bis die Fotografen den Verhandlungssaal verlassen haben, bevor er sich setzt. Es scheint so, als ob der frühere ZDF-Moderator für die Kameras nicht im Zeugenstuhl posieren mag. Er hatte sich schon zu Prozessbeginn etwas verspätet und erschien erst, als im Saal keine Bilder mehr gemacht durften.

Solche Episoden sind es, die einen kurzen Einblick gewähren in die Gemütslage des HR-Intendanten Reitze. Jürgen Emig, der ehemalige HR-Sportchef ist angeklagt wegen Bestechung und Untreue. Doch in der Luft liegt auch eine unausgesprochene Anklage gegen den HR. Der Sender, so die Aussage Emigs, soll seine Aktivitäten zur Geldbeschaffung für die Produktion von Sportsendungen ausdrücklich gebilligt haben.

Der Vorwurf ist brisant, denn wenn das "System Emig" in Wahrheit ein "System HR" war, werden zwei Prinzipien in Frage gestellt: die journalistische Unabhängigkeit und die Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Es durfte daher kaum verwundern, dass HR-Chef Reitze den Angeklagten belastete.

"Herr Emig hat für seine Machenschaften ein beachtliches Ausmaß von Verschleierung und Vertuschung eingesetzt", sagte Reitze vor dem Frankfurter Landgericht. Seit 13.Januar 2003 ist der 56-Jährige im Amt, im März 2004 entließ er Emig. Vor Reitze steht ein roter Plastikbecher mit Wasser, der bald leer ist, weil er sich häufig räuspern muss beim Sprechen. "Emig ist mit beachtlichen Energieaufwand außerordentlich clever vorgegangen."

Wie der frühere HR-Fernsehdirektor Hans-Werner Conrad in der vergangenen Woche mitteilte, gab es allerdings schon lange Zeit Gerüchte, Emig halte die Hand auf. "Hätten Sie da nicht hellhörig werden müssen", fragt der Vorsitzende Richter Christopher Erhard. Reitze sagt, er habe Emig im Juli 2003 verboten, zusammen mit seiner Frau Atlanta Killinger Produktionsgelder zu besorgen, weil es da einen Interessenskonflikt gebe. "Damals wusste ich noch nicht, dass Frau Killinger zusammen mit Herrn Frahm bereits die Firma SMP gegründet hatte, über die alles abgewickelt wurde", sagte Reitze, der Emig dann als "die größte Enttäuschung meines beruflichen Lebens" bezeichnet.

Tour de France-Spezialist Emig hat über Jahre hinweg, HR-Sportsendeplätze an Verbände und Vereine verkauft und einen Teil der Gelder über SMP für sich abgezweigt. So wurde 2003 in einem fünfminütigen HR-Bericht über ein Eishockeyspiel ein Zehntel der Sendezeit mit einem Glücksspiel abgedeckt, das der SMP Geld einbrachte.

Richter übt gezielt Druck auf Zeugen aus

"In einer normal funktionierenden Redaktion kommt das nicht vor", erklärte Reitze sein langes Zutrauen in Emig, was Richter Erhard zur spontanen Gegenfrage animierte: "Wie können Sie da so sicher sein?" Erhard hat die bemerkenswerte Gabe, Druck auf Zeugen aufzubauen, ohne viele Worte zu verlieren. Es reicht vollauf, wenn er vernehmbar seufzt und ein langgezogenes "Jaaaaah" haucht, wodurch er eine gewisse Unzufriedenheit über die erhaltene Antwort signalisiert. Und das passiert häufig in diesem Prozess.

Der Organisator des Triathlon-Rennens Ironman Frankfurt, Kurt Denk, hatte kürzlich ausgesagt, dass er sich 2003 bei der hessischen Landesregierung über die Höhe der von Emig geforderten Produktionskostenzuschüsse beschwert habe. Die Regierung hat das Schreiben an Reitze weitergeleitet, der ihm dann antwortete. Denk hatte einen Kostenzuschuss in Höhe von 95 000 Euro an die zwischengeschaltete Agentur SMP geleistet, wovon laut Anklage jedoch nur 30 000 Euro an den HR weitergeleitet wurden.

"Es gab nur einen, der von der Differenz wusste, und das war Emig", erklärte Reitze. HR-Fernsehdirektor Conrad hat jedoch ausgesagt, Reitze hätte damals beide Dinge nebeneinander legen können, um es zu überprüfen. "Wir erhalten viele solcher Briefe wie den von Denk, die meisten Vorwürfe sind übertrieben", meinte Reitze.

Reitze hätte Überprüfungen anstellen können

Im Jahr 2003 hat die Zeitarbeitsfirma Amadeus Fire 220 000 Euro zugeschossen, damit das Fußballspiel Offenbacher Kickers gegen Eintracht Frankfurt vom HR übertragen wurde. Die Firma forderte als Gegenleistung wohl die Ausstrahlung eines Interviews mit dem Vorstandschef.

"Das Interview wurde nie gesendet. Das ist doch das entscheidende", sagt Reitze dann doch leicht genervt, denn er räumte ein, dass das Interview zumindest geführt und aufgezeichnet wurde. Warum? Es sind solche Fragen, die offen bleiben und andeuten, dass es innerhalb des HR Unsicherheit darüber gab, wie weit man gehen durfte. Dass die Rechtmäßigkeit finanzieller Beistellungen im HR diskutiert wurde, ist bekannt. Mittlerweile seien Beistellungen verboten.

Reitze musste sich noch zum Vorwurf mangelnder Kooperationsbereitschaft mit der Staatsanwaltschaft äußern. "Der HR hat nach der Ablösung von Emig kein Eigeninteresse daran, die Sache weiter zu erforschen und der Staatsanwaltschaft zu helfen", zitiert Erhard interne HR-Memos, die auch Reitze erreichten. "Ich habe keine Anweisung gegeben, der Staatsanwaltschaft nicht zu helfen", sagte Reitze. "Nun denn", meinte Richter Erhard und seufzte.

© SZ vom 04.09.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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