Exhumierung des Poeten Lorca:Verscharrte Erinnerung

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Er ist während des Spanischen Bürgerkriegsmisshandelt, getötet und verscharrt worden. Nun soll der Poet Lorca exhumiert werden. Doch seine Nachkommen wehren sich.

Javier Cáceres

"Das Verbrechen geschah in Granada, in seinem Granada!", dichtete klagend der spanische Poet Antonio Machado. Und es war, nach allem, was überliefert ist, ein an Scheußlichkeit kaum zu überbietendes Verbrechen, das im Morgengrauen des 18. August 1936 an dem weltbekannten Dichter und Dramaturgen Federico García Lorca aus Granada begangen wurde.

Seit dem Jahr 2000 sind die Überreste von 4054 Hingerichteten in 171 Massengräbern ausfindig gemacht und umgebettet worden. (Foto: Foto: Reuters)

Schergen des faschistischen Rebellen-Generals Francisco Franco hatten ihn verhaftet. Lorca war anonym denunziert worden als Homosexueller, Linker, Intellektueller - drei Attribute, die im spanischen Bürgerkrieg für ein Todesurteil genügten.

Zusammen mit zwei Gewerkschaftern und einem Dorflehrer wurde er auf einen Lastwagen getrieben und nach kurzer Fahrt am Wegesrand zwischen Alfacar und Víznar ein letztes Mal misshandelt, als "schwuler Roter" verhöhnt. Dann fielen die tödlichen Schüsse. Nun, 40 weitere Jahre später, steht der spanische Ermittlungsrichter Baltasar Garzón vor der Frage, ob er das Grab öffnen lässt.

Noch Jahre nach der Tat brüstete sich Juan Luis Trescastro damit, dem damals 38-jährigen Lorca "drei Kugeln in den Arsch" verpasst zu haben, ehe er auf seinen leblosen Körper gespuckt habe. Dann wurde Lorca verscharrt, anonym, wie so viele in jenen Tagen, als Francos Truppen vorrückten. Der Mann, der gezwungen wurde, den Totengräber zu geben, offenbarte erst 30 Jahre später den Ort, an dem Lorca liegt.

Die Hinterbliebenen von Opfern des Bürgerkriegs haben bei Richter Garzón beantragt, die Leichen ihrer Vorfahren zu bergen. Sie wollen sie würdig bestatten.

Doch die Nachkommen Lorcas machen eine Ausnahme. Bereits 2003 erklärten sie, die Exhumierung würde die Geschichte verfälschen und die Grabstelle entweihen, an der ein Stein "an García Lorca und alle Opfer des spanischen Bürgerkriegs" von 1936 bis 1939 erinnert. Aber steht die Bewahrung eines Mythos über dem Recht weniger prominenter Bürger, ihre Ahnen würdig zu bestatten?

Unaufgearbeitete Historie

Der irische Hispanist und Lorca-Biograph Ian Gibson hat den Dichter den "berühmtesten Verschwundenen" der Franco-Zeit genannt. Der Konflikt um die Gebeine des Autors der "Bluthochzeit" ist eine Facette in Spaniens neuentflammtem Streit um kollektive Erinnerung an die Zeit der faschistischen Repression.

Vor ein paar Wochen hatte Garzón Behörden und Pfarreien angewiesen, Daten zu möglichen Opfern der Diktatur zur Verfügung zu stellen. Er will dann entscheiden, ob es Ansatzpunkte für eine Klage gibt, etwa wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Aufgrund von Verjährungsfristen und Amnestiegesetzen gilt das als juristisch heikel. Gleichwohl dürfte es Spanien einem Register politischer Opfer des Franco-Regimes näher bringen. Ein Unterfangen von historischer Dringlichkeit: Der Erstellung eines offiziellen Verzeichnisses der Opfer und Massengräber hat sich Spaniens Staat seit dem Tode Francos im Jahre 1975 entzogen.

Belegt sind bislang 90.000 Hingerichtete, die Gesamtzahl dürfte oberhalb der 130.000 liegen. Seit dem Jahr 2000 sind die Überreste von 4054 Hingerichteten in 171 Massengräbern ausfindig gemacht und umgebettet worden - auf Kosten von Angehörigen und Freiwilligenorganisationen.

Die überfällige Klärung der Schicksale der Verschwundenen ist politisch umstritten. Spaniens Rechte hält dies für "das Aufreißen alter Wunden". Auch Spaniens katholische Kirche, einst elementarer Bestandteil von Francos Nationalkatholizismus, zeigt wenig Neigung, sich der Frage zu stellen.

Wie die Lorca-Erben auf die neue Entwicklung reagieren, ist ungewiss. Eine Großnichte des Dichters, Laura García-Lorca de los Ríos, kündigte für die kommende Tagen eine Erklärung an.

© SZ vom 15.09.2008/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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