Erziehung pur:Ausgeschmatzt

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Der kleine Wolf trickst seinen Vater aus, als der ihm mit Gewalt seinen Schnuller wegnehmen will. Eine höchst vergnügliche Geschichte aus dem Familienalltag, mit einem besonderen Ende, das Kinder bestärkt und Eltern überrascht.

Von Ulrike Schultheis

Dieses pädagogisch herrlich unkorrekte Bilderbuch braucht nur sparsame, aufs Wesentliche reduzierte Illustrationen und ganz wenig Text, um den Betrachter sofort neugierig zu machen. Ein kleiner schwarzer Wolf namens Valdemar lümmelt sich genüsslich durch die ersten beiden Seiten und saugt laut schmatzend an einem großen, roten Schnuller. Hier fühlt sich einer sichtlich wohl, aber da kommt Papa Wolf: "Jetzt reicht's! Schnuller sind nur etwas für kleine Wölfe", nörgelt er. Er schneidet Valdemars Schnuller einfach mittendurch! So schnell geben kleine Wölfe aber nicht auf. Unter den Strümpfen im Schrank liegt ein grüner Ersatzschnuller. Schmatz! Jetzt werden Papas Erziehungsmethoden noch drastischer: Der Schnuller landet im Klo. Valdemars Alternativen sind allerdings unerschöpflich, da muss selbst der konsequenteste Papa irgendwann kapitulieren. Eine Mama scheint es nicht zu geben, ein winziger, augenzwinkernder Hinweis ist die Schürze, die Papa umgebunden hat.

Illustration aus Maria Jönsson: Schnulleralarm. (Foto: Verlag)

Am Abend soll Valdemar kurz ganz alleine auf seine kleine Schwester Linn aufpassen. Zuerst schmatzen die beiden ein bisschen vor dem Fernseher, dann putzen sie ihre Zähne. Als es Zeit ist, ins Bett zu gehen, rastet Linn aus: Ihr blauer Schnuller ist weg und bleibt verschwunden. Und was macht Valdemar? Klar, er nimmt seinen roten Schnuller aus der Schnauze und gibt ihn seiner kleinen Schwester. Hier könnte die Geschichte eigentlich aufhören, und alles hätte ein pädagogisch befriedigendes Ende. Aber von wegen! Am nächsten Morgen fragt Papa nämlich überrascht: "Brauchst du jetzt keinen Schnuller mehr? Bist du jetzt ein großer Wolf?" "Ja", antwortet Waldemar, "und große Wölfe bestimmen SELBST, wann sie keinen Schnuller mehr brauchen." Sagt's, stopft sich seinen roten Schnuller zwischen die Zähne und trottet schmatzend davon.

Der Illustratorin genügen wenige Striche, sie braucht kaum Farben, um die Szenen auf weißem Hintergrund lebendig werden zu lassen. Da gibt es nur die schwarzen Wölfe - wie in einem Cartoon stark auf Mimik und Gestik reduziert - , die bunten Schnuller und wenige Requisiten, um uns mitfühlen und mitfiebern zu lassen.

Ein ideales Geschenk für werdende Eltern, die gleich mal lernen können, dass in der Kindererziehung nur wenig wirklich planmäßig läuft. Und natürlich für Kinder, die an dem aufmüpfigen Wolf ihre helle Freude haben werden. (ab 3 Jahre)

Maria Jönsson: Schnulleralarm. Hanser Verlag, München 2017. 30 Seiten, 12 Euro.

© SZ vom 23.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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