Erfolg im TV: "Bauer sucht Frau":Das Verhalten von Landwirten zur Paarungszeit

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Eintauchen in eine stinknormale Welt: Ohne Häme landet RTL mit der Dokusoap "Bauer sucht Frau" einen erstaunlichen Erfolg.

Eva Marz

Die Dokusoap mit dem umstandslos knappen Titel "Bauer sucht Frau" ist derzeit der Quotenrenner überhaupt. Mit jeder neuen Folge der mittlerweile dritten Staffel schauen noch mehr Leute zu, an diesem Montag waren es über acht Millionen. Bauernpräsident Gerd Sonnleitner äußerte sich im Spiegel ungehalten: Die Sendung vermittle ein unrealistisches Bild, der heutige Bauer kenne gar kein Nachwuchsproblem und sei überhaupt viel fortschrittlicher als in der RTL-Show dargestellt. Aber wie dem auch sei - Fernsehen ist ja nicht unbedingt dann am erfolgreichsten, wenn es Realismus betreibt, sondern eben dann, wenn es seinem Zuschauer Wohlbehagen verschafft.

Was nährt dieses Wohlbehagen im Fall der bindungswilligen Landwirte? Schon auf den ersten Blick fällt auf: Die Sendung bricht mit einer mächtigen Konvention, nämlich der, dass das Thema Liebe traditionell an jungen, schönen Leuten illustriert wird. Bei "Bauer sucht Frau" sind viele Bewerber schon älter, über 40, und ihrem Äußerem nach nicht gerade Schönlinge. Die Bauern sehen gesund aus, und sie kleiden sich jenseits aller Modetrends.

Die Frauen teilen das Unspektakuläre ihrer Gatten in spe. Lederhäutige Sonnenstudio-Opfer sind dabei, viele Raucherinnen, denen man das auch ansieht, Frauen, deren letzter Friseurbesuch eine Weile zurückliegt, die schon einmal verheiratet waren. Manche haben mehrere Kinder. "Verliererinnen auf dem Heiratsmarkt", diagnostizierte ein gnadenloser Journalist. Er mag sich täuschen, denn eigentlich repräsentieren "Bürokauffrau Alexandra", "Fußpflegerin Bianca" und die anderen ganz normale, durchschnittliche deutsche Angestellte und Alleinerziehende.

Auch die Moderatorin Inka Bause sah, als sie kürzlich gestylt und im weißen Hosenanzug bei "Wetten dass...?" auf dem Sofa saß, ungleich glamouröser aus. In der Sendung betont sie den alltäglichen Look mit fransigem Haarschnitt und lustigen roten Schuhen zu etwas zu kurzer Jeanshose.

Die Utopie des Vernünftigen

Die Idee und das Aussehen der gesellschaftlichen Mitte sind bei "Bauer sucht Frau" wichtig. Und die Sendung bricht mit einer weiteren Konvention, indem sie Schicksal und Leben dieser Mitte als keineswegs deprimierend darstellt. Niemand wird hämisch bloßgestellt, und nie war man weiter entfernt von der alten Kritik am Kleinbürgerlichen als hier. Stattdessen taucht der Zuschauer von "Bauer sucht Frau" ein in eine freundliche Welt.

Grüne Wiesen, blauer Himmel, Lämmchen, Katzenbabys, medienfern unschuldig wirkende Menschen und ein halbes Jahrhundert Kuschelsongs. Denn wenn die Stadtfrauen ihre Landwirte auf deren Höfen besuchen, dann wird die naturgemäß gelegentlich wortkarg und unbeholfen ablaufende Beziehungsanbahnung untermalt, oder auch konterkariert, mit romantischen Schmusehits von früher: "Mandy" von Barry Manilow und "Guten Morgen Sonnenschein" von Nana Mouskouri.

An eine Generation, die diese Musik noch kennt, richtet sich diese Dokusoap. Das ist keine Show für das junge Publikum, sondern eine, die - eingestanden oder uneingestanden - ein hohes Identifikationspotential bergen dürfte für Leute, die sich mit Ende 30 zu ihrer eigenen Überraschung ungebunden, ohne Familie wiederfinden und letztlich selbst nicht wissen, warum das so kam. Irgendwann geht es dann um Realien. Der Titel des britischen Vorbilds bringt den Charakter der Sendung fast noch besser auf den Punkt: "The farmer wants a wife".

Irgendwann geht es nicht mehr um Liebesfuror, schlaflose Nächte und Diskussionen, sondern um die Utopie des Vernünftigen, Praktischen - love as companionship, wie die Amerikaner sagen. Das ist das absolute Gegenteil zur verkorksten, neurotischen, kunstgesättigten Atmosphäre eines Woody-Allen-Films. "Dich könne mer brauche", sagt Milchbauer Michael vom Bodensee anerkennend zu Krankenschwester Daniela, als diese sich frühmorgens in seiner Küche nützlich macht. Liebe kommt hier immer unter praktischen Erwägungen in Betracht, als Vorform des Sozialsystems Familie.

Der raubeinige Rinderwirt Bernhard

Kritiker bescheinigen der Sendung deshalb ein rückwärtsgewandtes Geschlechter-, insbesondere Frauenbild. Die Frage wäre nur, ob ihr großer Erfolg nicht auch ein Indiz dafür sein könnte, dass die neue Popularität des Neo-Konservativen sich gerade neue Schichten erobert. Die von RTL bedienten Sehnsüchte nach Familie, Versorgung, Natürlichkeit wären dann in gewisser Weise zukunftsweisend.

Auch innerhalb der Fernsehlandschaft scheint "Bauer sucht Frau" eine Position der Mitte zu besetzen. Setzt sich einerseits ab gegen den Hochglanz etwa der Nachwuchs-Models von Heidi Klum, aber eben auch gegen das Lärmen der Prolls in den einstmals berüchtigten Gerichtsshows oder bei "Big Brother".

Was nach dem Zusehen am stärksten in Erinnerung bleibt von "Bauer sucht Frau", sind die typisierenden Berufsbezeichnungen, mit denen die alliterationsverliebte Kommentarstimme die flirtenden Landwirte bezeichnet: der raubeinige Rinderwirt Bernhard, der urige Kleinbauer Furthi, der attraktive Milchbauer Michael - "kann der liebevolle Bayer Bruno die Arzthelferin Anja von sich überzeugen?"

Es ist am Ende doch der bewährte Stoff, aus dem die großen Geschichten entstehen.

© SZ vom 28.11.2007/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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