Ein überraschender Fund wirft jetzt neues Licht auf die Beziehung der Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart und Antonio Salieri. Das Konkurrenzverhältnis der beiden Musiker ist legendär - spätestens seit Miloš Forman 1984 in seinem Film "Amadeus" noch einmal das Gerücht aufgriff, Salieri habe zum vorzeitigen Tod Mozarts beigetragen. Entstanden war es bereits im 19. Jahrhundert, dürfte aber weniger mit dem realen Verhältnis zwischen beiden als mit dem aufkommenden Nationalismus zu tun gehabt haben, der Mozart zum deutschen Heros, Salieri zu seinem italienischen Gegenspieler stilisierte.
Tatsächlich hatte Antonio Salieri als Wiener Hofkapellmeister immer wieder Werke des kaiserlichen "Kammer-Compositeurs" Mozart (ur)aufgeführt, teilweise auch mit diesem als Solisten. Dass er sich lobend über die "Zauberflöte" äußerte, berichtet Mozart selbst. Das Gerücht geht hauptsächlich auf Briefe seines Vaters Leopold Mozart zurück, der Salieri verdächtigte, seinem Sohn schaden zu wollen. Doch Leopold argwöhnte nicht nur allerorten Gefahren, er gilt auch seinerseits als nicht frei von antiitalienischen Ressentiments. In der Forschung wird heute jedenfalls allgemein angenommen, dass Salieri und Mozart mindestens ein professionell freundlicher Umgang verband, wie er auch heute zwischen engen Kollegen üblich ist - ungeachtet allen unterschwellig natürlich immer möglichen Neids.
Dies bestätigt nun ein Fund im Tschechischen Museum der Musik, einer Abteilung des Prager Nationalmuseums. Gelungen ist er dem Komponisten und Salieri-Forscher Timo Jouko Herrmann. Im Rahmen einer Neukatalogisierung der Archivbestände entdeckte Herrmann Teile einer Gemeinschaftsarbeit von Mozart und Salieri, die bisher nur aus zwei kleinen zeitgenössischen Zeitungsmeldungen bekannt war. Das Köchelverzeichnis, das die Werke Mozarts listet, verzeichnete die Komposition als verschollen.
Unter dem Titel "Per la ricuperata salute di Ofelia" ("Anlässlich der wiedergewonnenen Gesundheit Ofelias") behandelt der nun wieder aufgetauchte Text des Librettisten Lorenzo da Ponte eine Stimmkrise der Sängerin Nancy Storace, die im Jahr 1785 die Rolle der Ofelia in Salieris Oper "La grotta di Trofonio" sang. Wegen ihrer Erkrankung war die Premiere um mehrere Monate verschoben worden. In derselben Zeit begann Mozart bereits mit der Arbeit an "Le nozze di Figaro", in deren Uraufführung Storace im darauffolgenden Jahr die Susanna singen sollte. In der 30-strophigen Gesundungshymne stilisiert Da Ponte, der für beide Komponisten arbeitete, das Schicksal der Sängerin mit viel Humor zu einer altitalienischen Schäferdichtung.
Singstimme und Bass einer verschollenen Hymne sind jetzt in Prag aufgetaucht
Zum Glück aber für den Finder und die Nachwelt veröffentlichte der damalige Verleger nicht nur den Text, sondern legte auch eine Skizze der Musik bei, bestehend aus Singstimme und Bassverlauf - sozusagen einen musikalischen Appetitanreger. Die ersten beiden Strophen stammen von Salieri, die beiden folgenden von Mozart, weitere, deutlich ungelenkere Vertonungsreste von einem dritten Komponisten namens Cornetti, den die Quellen vor allem als Gesangspädagogen kennen. Vollständig aufführbar ist das Werk also (bislang) noch nicht. Dass daneben eine Druckausgabe der Musik existierte, liegt aufgrund der Zeitungsmeldungen aber nahe. Schatzgräber Timo Jouko Herrmann versichert denn auch telefonisch, er werde weiter auf den Spuren der Komposition bleiben. Was bislang schon zugänglich ist, soll in wenigen Wochen erstmals im Salzburger Mozarteum erklingen.