Emmerichs neuer Film: "The Day After Tomorrow.":Meerwasser und noch mehr Wasser

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Der Mann hat es mit Tagen: Nach dem "Independence Day" wird in diesem Frühjahr Roland Emmerichs neues Untergangsspektakel "The Day After Tomorrow." in die Kinos schwappen. Eine feuchte Apokalypse - passend zur Regierung Bush.

FRITZ GÖTTLER

Katastrophenstimmung. Weltuntergangsgefühle. Öko-Armageddon. Zurück in die Eiszeit ... Der 27.Mai wirft seine Schatten voraus, der Tag, an dem der neue Emmerich in die Kinos kommen wird. "The Day After Tomorrow." Weltweit, mit tausenden von Kopien.

Horch, was kommt von draußen rein? Wird doch nicht die Nordsee sein? (Foto: N/A)

Die Welt wird nicht mehr sein wie sie war. Was unser Leben angeht und unsere Vorstellungen von der Zukunft.

Aber auch was die Politik angeht, und das, was zu dieser Zeit in den USA den prominenten Platz innehaben wird - der Kampf um die Präsidentschaft. Popcorn-Kino und Politik, das ist eine ungewöhnliche Verbindung, dennoch könnte in den kommenden Wochen ein Hollywood-Katastrophenstück dem amerikanischen Präsidenten Bush die Hölle heiß machen, dem blassen Gegenkandidaten Kerry einigen Auftrieb verschaffen.

Roland Emmerich ist der Mann, der den Amerikanern "Independence Day" gegeben hat.

Das ultimative Kinoepos von Amerikas Untergang durch feindliche fundamentalistische Aliens - und seine Wiedergeburt durch den Präsidenten persönlich am Steuerknüppel eines Kampfjets.

Mit seinem neuen Film geht Emmerich einen Schritt weiter, das Desaster kommt nicht mehr von außerhalb, es ist selbstverschuldet. Eine Klimakatastrophe, die innerhalb weniger Tage den nördlichen Teil des Globus in eine Eiswüste verwandeln wird.

Nur das Timing, das Prozesse von mehreren Jahren in wenige Tage komprimiert, ist dabei ein wenig forciert, alle anderen Fakten und Details der befürchteten Klimakatastrophe, auf Grund der zunehmenden Erwärmung und einer Störung des Klimaausgleichs durch den Golfstrom, haben Emmerich und sein Mitautor Jeffrey Nachmanoff aus entsprechenden Sachbüchern zusammengestellt.

Die Bilder, die er mit einem Budget von über 100 Millionen Dollar und einem gewitzten Team von Computeranimatoren schuf, sind - wenn man den ersten Kostproben, die er in Frankfurt präsentierte, glauben darf - atemberaubend.

Los Angeles sieht sich von irrwitzigen Tornados bedroht, es schneit in Neu Delhi und hagelt in Tokio.

New York wird von einer gigantischen Flutwelle überschwallt, vereist innerhalb kürzester Zeit. Der Klimatologe Jack Hall, gespielt von Dennis Quaid, hat die neue Eiszeit vorhergesagt, aber nicht unbedingt für übermorgen.

Nun muss er den Präsidenten von der Evakuierung der Bevölkerung Richtung Süden überzeugen, er selber zieht in die andere Richtung, um seinen Sohn zu retten, Jake Gyllenhal, der im gefrorenen New York festsitzt. Dass sie immer geschwinder sein müssen mit dem Erzählen ihrer Geschichten, das ist den Hollywood-Profis klar, die News und Sensationen, von denen auch das Filmgeschäft lebt, haben kurze Haltbarkeit.

In Sachen Klima ist der Beschleunigungsfaktor inzwischen besonders groß: "Wenn wir uns nicht sputen", erzählt Emmerich, "wird das, was wir als Fantasy fabrizieren, wenn es in die Kinos kommt, eine Dokumentation sein."

Gebäude in die Luft jagen, erklärt Emmerich, ist etwas, was die Leute nicht mehr sehen wollen - er hat das exemplarische Bild dafür geliefert, als er in "Independence Day" das Weiße Haus von den Aliens zerstören ließ. "Der neue Film ist ganz anders als Independence Day - ich habe keine Lust, mich selbst zu wiederholen. Die Stimmung ist nicht die selbe."

Ein kleines bisschen Subversivität reklamieren die Filmemacher für sich, ein wenig mehr Umweltbewusstsein als die übrigen Hollywood-Großproduktionen.

Den CO2-Ausstoß, den sie mit ihren Generatoren und Transportern verursachten, versuchen sie zu kompensieren, indem sie Bäume pflanzen. Und auf den Websites für den Film gibt es Links zu Umweltschutz-Organisationen. John Kerry wird, das steht fest, den Umweltschutz zum Wahlkampfthema machen - schon deshalb, weil Bush ihn bislang meidet wie der Teufel das Weihwasser.

Dabei hat das Pentagon im Februar eine elaborierte Studie veröffentlicht, in der die Folgen der Erwärmung - Dürre, Versteppung, Wasserknappheit, Hunger - beschrieben sind: Abschottung der Länder, Kampf um Naturressourcen, erhöhte Konfliktgefahr: "Der Krieg würde, ein weiteres Mal, das menschliche Leben bestimmen."

Bei aller Sympathie für die Bush-Basher, bei aller Subversivität ist Roland Emmerich das Kino-Wunderkind aus Sindelfingen geblieben.

Der Bastler, der das Kino als Riesenspielzeug nimmt, mit dem er alle paar Jahre die Apokalypse neu inszeniert. Und hofft, dass wir bei all unserer Desaster-Faszination immer noch ein Herz haben für die Personen, die tapfer ums Überleben kämpfen. (Als nächstes Projekt hat Emmerich einen Film über Sexsklavinnen avisiert, die aus Europa oder Lateinamerika in die USA gebracht werden, "The Girls Next Door", eine "Geschichte, die erzählt werden muss, die mein Herz berührt hat".)

Zunächst aber warten wir auf das globale Großreinemachen - und Emmerichs Sequenzen sind eine effektive Katharsis. Ihre kühle Klarheit ist tröstlich, angesichts der blutigen, grauenvollen Szenen von den Kriegs- und Terrorschauplätzen in der Nachrichtenwelt, zwischen Irak und Madrid. Ein Sturm geht durch die Welt und wirbelt alles Überflüssige hinweg.

© SZ v. 18.03.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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