Ein Zeichner und seine Welten:Wie Echsen in der Sonne

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Immer liegt Spannung in der Luft: Ein Bildband gibt einen Einblick in das Werk des Grafikers und Illustrators Hans Hillmann.

Von Thomas von Steinaecker

Hans Hillmanns "Fliegenpapier" ist ein Monolith in der Comiclandschaft. 250 großformatige Seiten, auf jeder ein ganzseitiges Bild mit Begleittexten statt Sprechblasen. 1982 erschien diese Adaption einer Geschichte Dashiell Hammetts und damit zu einer Zeit, als der Begriff Graphic Novel noch unbekannt war, zumal in Deutschland. Hillmanns damals nicht kategorisierbares Werk erfuhr denn auch erst in den vergangenen Jahren die ihm gebührende Aufmerksamkeit. 2018 erschien die französische Ausgabe mit einem euphorischen Vorwort von Art Spiegelman. Die Wucht der aquarellierten Bleistiftzeichnungen, die ungewöhnlichen Perspektiven, die albtraumhafte Atmosphäre aus kalifornischer Sonne, männlicher Brutalität und weiblicher Erotik - all das fasziniert an "Fliegenpapier" bis heute. Dabei blieb der Comic in Hillmanns Werk eine Ausnahme.

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(Foto: Hans Hillmann, Avant Verlag)

In der Überbelichtung wie erstarrt wirken die Menschen auf dem Markusplatz in Venedig.

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(Foto: Hans Hillmann, Avant Verlag)

"Die Verführer".

Weltweit berühmt wurde Hillmann in den 1950ern für seine Filmplakate, die sich durch ein ständiges Ausprobieren von Stilen auszeichnen. Sein berühmtestes, das knallbunte Schlachtengetümmel zu "Die sieben Samurai", kombiniert Uccello und Matisse, während er für "Rashomon" Streifen unterschiedlicher Körperteile zu einer kubistischen Figur zusammensetzt. Aber auch diese Plakate machten nur einen kleinen Teil in Hillmanns fast unüberschaubarem Werk aus: Neben seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Grafik-Professor in Kassel belieferte er viele große deutsche Printmedien mit Illustrationen.

Hans Hillmann (Text und Zeichnungen): Hillmann. Ein Zeichner und seine Welten. Avant Verlag, Berlin 2020. 264 Seiten, 50 Euro. (Foto: N/A)

Einen wertvollen Überblick über diese Arbeiten gibt nun der vorliegende Band - auch wenn leider die Plakate ausgespart wurden. Das ist aber der einzige Wermutstropfen. Reiseeindrücke, besonders aus Italien (die Abbildung oben zeigt den Markusplatz in Venedig), finden sich hier, Skizzen, die Hans Hillmanns überbordende Lust am Experimentieren zeigen, ebenso wie eine umfangreiche Serie über berühmte Paare, von Bonnie und Clyde bis zu Ingrid Bergman und Roberto Rossellini.

Bei aller Heterogenität bleibt sich Hillmann treu: eine stets wie überbelichtete Welt, in der die Menschen wie Echsen in der Sonne erstarren und eine Spannung in der Luft liegt, die jeden Moment in Gewalt oder Sex umschlagen kann. Am eindrucksvollsten ist dieses Buch aber dort, wo Hillmann ausnahmsweise den Bildern gestattet, zu Sequenzen zu werden. Seine Illustrationen zu Uve Schmidts "Nachkriegssagen" verweisen stilistisch auf das kurz zuvor abgeschlossene "Fliegenpapier". Die buchstäblichen Schatten der Vergangenheit flattern hier durch den tristen Alltag einer deutschen Stadt. Die schönste von vielen schwarzen Perlen in diesem Band.

© SZ vom 24.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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