Editorial:Stadt der gefallenen Engel

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Die Bilder in diesem Krimi-Spezial stammen aus einem Bildband über Verbrechen und Tatorte im aufstrebenden Los Angeles zwischen 1920 und 1950.

Von Bernd Graff

Kaum vorstellbar, aber noch vor hundert Jahren war Los Angeles ein Nichts hinter Wüste. Das heißt: Natürlich gab es Los Angeles, aber es war wenig mehr als Sonne, Strand und Scheunen, ein paradiesisch gelegenes Provinzkaff, das seiner Erweckung harrte. Nach dem Ersten Weltkrieg wandelte sich dieses Dorf rasant zur Metropole, zur "Stadt der Wunder". Immer mehr Menschen kamen, um dort ihr Glück zu finden: Es kam Hollywood. Es kam großes Geld und fahrendes Volk. Und mit ihm auch Gesindel und Glücksritter. Und es gedieh neben der Lichtstadt der Hoffnungsvollen eine Dusterwelt mit eigenen Regeln,Gesetzen und neuen Drogen, in der Gangster regierten und Gauner das Sagen hatten, Quacksalber und unheilige Prediger ihr Hohes Lied sangen, unberechenbare Psychopathen und eiskalte Killer taten, was sie wollten. Denn die Korruption blühte.

So trug L. A. bald auch die verzerrte Fratze eines Molochs, voller Prostituierter, Obdachloser, Irrer und Tagediebe. Fotos von 1920 bis in die 1950er belegen diese drastischen Veränderungen. Es entstanden natürlich auch die eleganten Bars und Geschäfte, die einige "Happy Few" für die roten Teppiche Hollywoods fit machten. Es entstanden aber auch Spielhöllen und Spelunken,

Drogenumschlagplätze und Bordelle - es entstanden Tatorte. Die Schauplätze schlimmster Verbrechen. Und diese wurden von akkuraten Polizei- wie alerten Pressefotografen in aller schockierenden Brutalität festgehalten. Oft waren die professionellen Fotografen sogar schneller am Tatort als die Ordnungshüter. Der Taschen-Verlag hat nun umfassendes Bildmaterial aus den Archiven dieser Zeit zu einem faszinierenden Fotoband verdichtet - ihm haben wir die Aufnahmen dieser Beilage entnommen: Jim Heimann: Dark City. The Real Los Angeles Noir. 480 Seiten, Köln 2017. 75 Euro. Unser Bild oben zeigt einen Polizisten und Schaulustige beim Blick durch die von Kugeln durchlöcherte Schaufensterscheibe eines Tatorts um 1953.

© SZ vom 28.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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