Warum, verdammt, hat es nicht hingehauen? Warum hat sich der arabische Taumel an Ideen, Allianzen, Möglichkeiten nicht in Demokratie umsetzen lassen oder wenigstens: in ein bisschen mehr Freiheit? Warum hat nicht einmal das größte arabische Land, Ägypten, den kostbaren Augenblick der Selbstbefreiung nach dem Sturz Mubaraks 2011 nutzen können? Weil eine patriarchale, frauenfeindliche Gesellschaft keine offene und moderne Politik begünstigt, so die bittere Erkenntnis von Alexandra Schneiders Film "Private Revolutions". Umgekehrt gilt das natürlich genauso: Autokratien fördern sozialen Fortschritt nur in Ausnahmen. Und deshalb kommt Ägypten nicht vom Fleck.
Der Film lässt die ersten schwindelerregenden Jahre nach der Revolution aufblitzen: Straßenproteste, erste Militärherrschaft, die erste freie Parlamentswahl. Eine ungeheure Energie hat das Land gepackt und ist auch in die Frauen gefahren: Dies ist ihre Chance.
Vier Ägypterinnen, sehr selbstbewusst, sehr sendungsbewusst, hat Schneider getroffen. Die Aktivistin Sharbat nimmt ihre Söhne zu Demonstrationen mit, die dann in der Schule aufrührerische Parolen verbreiten und dafür geschlagen werden. Die Verlegerin Amani hat einen Radiosender für Frauen gegründet. Die Nubierin May hat ihren Job als Bankangestellte und ein Leben in Wohlstand aufgegeben, um ein Entwicklungsprojekt für Nubier umzusetzen. Und Fatema ist Mitglied der Muslimbrüder und ackert für den politischen Sieg der Islamisten. Sie hat in diesem Film eigentlich gar nichts zu suchen: Fatema stammt aus einer Muslimbruder-Familie, der Vater war deshalb im Gefängnis. Sie ordnet sich Männern selbstverständlich unter, und zwar nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus Überzeugung. Als es für die Muslimbrüder politisch eng wird, muss sie die Dreharbeiten unterbrechen. Regisseurin Schneider trifft sie nie wieder.
Und auch die anderen müssen Rückschläge hinnehmen. Die wunderbare Sharbat, die über die Plätze des Aufruhrs tänzelt wie eine Königin, kann sich in ihrem Viertel nicht mehr filmen lassen, weil missgünstige Nachbarn gegen sie hetzen. Als die Verlegerin Amani ihr Buch vorstellt, krakeelt ein konservativer Oberägypter dazwischen, zu Hause könne eben nur einer bestimmen, nämlich der Mann. Die Nubierin May trifft in knappster Sportkleidung im konservativen Assuan ein und löst bei einem Beamten großes Staunen aus, weil ein Provinzpotentat ihr Anliegen unterstützt. "Aha, der hat dir also geholfen?", fragt der Beamte. May: "Er ist ein Freund meines Vaters." - Der Beamte: "Dein Vater muss ein wichtiger Mann gewesen sein." Als wäre sie selbst nichts.
So lautet also die wichtigste Botschaft des Landes an seine Frauen, dass eigenes Denken schädlich und ihre wichtigste Aufgabe die Ehe ist, und in diesen kleinen beiläufigen Momenten bekommt der Film seine wahre klaustrophobische Qualität. Ähnlich nüchtern verzeichnet er die allmähliche Verdüsterung. Nicht alles geht schlecht aus, manchen Ballast werfen die Frauen ab. Aber bis ihr Land ihnen eine lebenswerte Heimat ist, das zeigt dieser kleine, sympathische Film, wird noch viel Wasser den Nil hinabfließen.
Private Revolutions - Jung, Weiblich, Ägyptisch, Österreich 2014 - Regie: Alexandra Schneider, Kamera: Sandra Merseburger, Alexandra Schneider. Daniela Praher Filmproduktion, Fugu Filmverleih, 98 Minuten.