Documenta-Institut:Ein neuer Obelisk?

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Nach Bürgerprotest: Kassel sucht Bauplatz für Documenta-Institut. Die nordhessische Stadt ist stolz auf ihre "Weltkunstschau", scheut aber jede Internationalität.

Von Ingo Arend

Auf ihr Documenta-Institut werden die Kasseler Bürger noch lange warten müssen. Die Stadtverordnetenversammlung beschloss am Montagabend, den geplanten Standort auf dem Parkplatz am Karlsplatz in der Nähe des Rathauses wieder aufzugeben. Rund 7000 Stimmen für ein Bürgerbegehren "Rettet den Karlsplatz" schreckten die Parlamentarier derart, dass sie ihren erst im Mai gefassten Beschluss fallen ließen. Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) und Documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann sollen nun eine Alternative suchen. So umgehen die Parlamentarier ein für Dezember terminiertes Bürgerbegehren. Zudem sollen Schormann und Geselle mit der jetzigen Documenta-Halle am Friedrichsplatz liebäugeln. Die Glashalle ist zwar denkbar ungeeignet und renovierungsbedürftig, der häufige Leerstand belastet allerdings das Documenta-Budget.

Die jüngste Volte einer mehrjährigen Kontroverse offenbart ein Dilemma. Die Documenta-Stadt ist stolz auf ihren Ruf als temporäre "Weltkunsthauptstadt" und wollte mit dem vom Bund mit zwölf Millionen, dem Land Hessen und der Stadt Kassel mit je sechs Millionen Euro geförderten Forschungszentrum ihr Markenzeichen polieren. Doch schon der Streit um den Verbleib von Olu Oguibes Obelisk belegte, wie zögernd sie sich neuen Perspektiven jenseits des Lokalen öffnet. Ähnlich ist es mit dem Documenta-Institut: Mit dem, vergangenen Monat zum Gründungsdirektor berufenen, emeritierten Kasseler Soziologieprofessor Heinz Bude ( SZ vom 4.8.) setzten die Stadt, die Universität und das Land Hessen auf eine Hauslösung. Hessens ehemaliger Wissenschaftsminister Boris Rhein (CDU) hatte sich zwar ein "Forschungsinstitut von Weltrang" gewünscht, internationales Personal kam dafür aber offenbar nicht in Betracht. Zudem drang Documenta-Professorin Nora Sternfeld mit ihrer Idee, es um eine "künstlerische Professur" zu erweitern, nicht durch. Zum Sommersemester 2021 sollen nun drei vom Land Hessen finanzierte Professoren oder Professorinnen für Geistes- und Kulturwissenschaften, Gesellschaftswissenschaften und Architektur, Stadtplanung und Landschaftsplanung ihre Arbeit aufnehmen.

Immerhin hat Hessens derzeitige Wissenschaftsministerin Angela Dorn (Grüne) zusätzlich 200 000 Euro für "Künstlerische und Kuratorische Forschung" bewilligt. Trotz dieses Teilerfolgs kehrt die erst 2017 an die Kasseler Kunsthochschule berufene Sternfeld der Documenta-Stadt vorzeitig den Rücken. Ab Oktober wird sie als Professorin an der Hamburger Kunsthochschule (HfBK) für ihre Idee eines "Radikaldemokratischen Museums" streiten.

© SZ vom 02.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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