"Diverse Wirklichkeit":Lena Gorelik

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Es gibt diese sehr deutschen Fragen. Fragen, die mit "Sie als Jüdin/Jude" beginnen, gehören meist zu dieser Kategorie. Da liegt bereits in diesen drei kurzen Worten so viel Verantwortung, Geschichtsbewusstsein, Verdrängung, Schuld, Auf-gar-keinen-Fall-Schuld, Bedeutung und alles andere, dass beängstigend ist, dass die Antwort nur falsch ausfallen kann; und das Gegenteil der Antwort, das Schweigen, wäre ebenfalls falsch. Sie als Jüdin: feiern doch sicher - sicher! -, fahren doch sicher nach Israel, essen doch sicher, glauben doch sicher an, und am Ende jeder Grenzüberschreitung: haben doch sicher Ihre Söhne beschneiden lassen. Eine bei Lesungen gerne öffentlich gestellte Frage, ich sprachlos erst, dann spracherzürnt: Vielleicht braucht es ja ein jüdisches Museum, in dem ein Käfig steht, und in diesem Käfig sitzt dann ein kleines, jüdisches, unbedingt männliches, weil beschnittenes Kind, es trägt eine Kippa. Man kann dann ins Museum gehen und abends zufrieden sagen: "Ich habe heute einen echten kleinen Juden gesehen."

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