Disney-Projekt "Narnia":Gottes Film in Teufels Kreis

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Disney setzt bei der Vermarktung seines neuen Films "Die Chroniken von Narnia" auf eine ungewöhnliche Marketingstrategie: Sowohl christliche Fans als auch Anhänger von Fantasy-Filmen sollen in die Kinos gelockt werden.

Fritz Göttler

In wenigen Wochen, am 9.Dezember, ist in den Kinos der Löwe los. An diesem Tag startet weltweit die große Disney-Produktion "The Lion, the Witch and the Wardrobe (Der König von Narnia)", der erste Film aus dem "Chroniken von Narnia"-Zyklus, nach den Romanen von C.S. Lewis. "Narnia" ist das dritte große Parallelwelt-Epos, mit dem im vergangenen halben Jahrhundert britische Autoren die Welt beglückten. Dass es (noch) nicht einen ähnlichen Hype erregte wie Harry Potter - Joanne K. Rowlings ist übrigens bekennender Narnia-Fan - oder der "Herr der Ringe", liegt schon mal daran, dass C.S. Lewis die Sache viel weniger konzentriert und verbissen anging als seine Kollegen - sein Traumreich Narnia ist ein charmantes Sammelsurium diverser Mythologien. Eins der schönsten Stücke hier ist die Straßenlaterne, die an der Schnittstelle zwischen den beiden Welten, der englischen Alltags- und der Phantasiewelt, steht, so schön und selbstverständlich in ihrer Präsenz wie die in den Bildern von Magritte.

Fest in Disneys Hand: Die Hauptdarsteller des Films. (Foto: Foto: AP)

Das Kino hat immer wieder die Mechanismen der Fantasy selbst thematisiert. Auch "Narnia" handelt von der Notwendigkeit des Eskapismus in harten Zeiten - den Wochen des Londoner Blitz, in dem die Familien ihre Kinder, um sie vor den Luftangriffen der Nazis zu schützen, in wildfremde Haushalte aufs Land schickten.Die vier Kinder der Familie Pevensie - Peter und Susan, Edmund und Lucy - geraten an einen Professor, der auf den Umgang mit Kindern leider in keiner Weise vorbereitet ist. Er unterwirft die vier also einem strengen Reglement: kein Lärm, kein Kontakt, kein Anfassen der wertvollen Büsten überall im Haus. Die Kinder flüchten, ein Versteckspiel eröffnet den Weg in eine Traumwelt, durch einen Wandschrank. Dort aber, im winterlichen Narnia, geht der Kampf gegen das Reich des Bösen erst richtig los.

Sieben Bände hat C.S. Lewis zwischen 1948 und 1952 fabriziert, und sieben filmisch fette Jahre erhofft man sich dementsprechend bei Disney. Narnia ist etwas, von dem man bei Disney seit langem träumte - ein eigenes Mega-Franchise-Projekt, das nicht nur Millionen Zuschauer anlocken soll, sondern über das auch viele Artikel vermarktet werden, von McDonald's bis Kodak. Viele Jahre haben die Lewis-Erben Disney die kalte Schulter gezeigt - weil man sich von Hollywood die christliche Botschaft nicht versauen lassen wollte, und weil - bittere Ironie - ausgerechnet der um Sauberkeit bemühte Disneykonzern in seinen Disneylands sich zu liberal zeigte, zum Beispiel in der Behandlung gleichgeschlechtlicher Beziehungen. Nun aber herrscht Friede, auch durch den Mitproduzenten, den strikt konservativen Philip Anschutz mit seiner Firma Walden Media. Der Film ist abgedreht unter der Regie des "Shrek"-Regisseurs Andrew Adamson, unter Aufsicht von Lewis-Stiefsohn Douglas Gresham, für etwa 150 Millionen Dollar - und alles ist nur noch eine Frage der Vermarktung.

Another fucking elf!

C.S. Lewis und J.R.R. Tolkien, der "Herr der Ringe"-Schöpfer, sind alte Spezln, hausten in jenem Trollreich, das unter dem Namen Oxford bekannt ist - wo Wissenschaft und Poesie, Logik und Fabulierfreude fröhlich sich verschränkten. Die "Inklings" nannte sich die kleine Gruppe, zu denen die beiden gehörten, dort haben sie Teilstücke ihrer wachsenden Epen vorgelesen und kommentieren lassen. "Oh no - another fucking elf!", so der berühmte Stoßseufzer des Literaturprofessors Hugo Dyson nach einem weiteren mühsamen Mittelerde-Kapitel.

Wie bei Tolkien geht es auch in Narnia martialisch zu - und im Kino noch einmal heftiger als im Buch. Anklänge an die Kreuzzüge sind evident, an der Seite des Löwen Aslan kämpfen die Kinder gegen Horden des Bösen, unter der Führung der Weißen Hexe - verkörpert im Kino von Tilda Swinton. Der Löwe Aslan, die zentrale Kultfigur, ist ein jesushafter Erlöser, er unterzieht sich freiwillig dem Opfertod, lässt sich von den tierischen Schergen der Weißen Hexe grausam demütigen und schinden.

Den härtesten Kampf haben aber Disneys Marketingleute zu bestehen, die mit ihrem Kommerzprodukt über die amerikanischen Kirchen direkt an die Gläubigen im Land herankommen wollen, mit Sneak Previews in Kirchen und Material für Geistliche und Lehrer - starkes Vorbild ist Mel Gibson mit seiner "Passion of the Christ". "Wir glauben, dass Gott seine Botschaft von Jesus Christus durch diesen Film verkünden wird", sagt Lon Allison, Direktor des Billy Graham Centre am Wheaton College in Illinois.

Bei aller Freude über solche Kooperation darf man natürlich die weltlichen Kids nicht vergessen, die ihre Helden eher megacool mögen und im Kino die weltliche Lust am Abenteuer suchen, am Erobern fremder Welten, am Schlachtgetümmel. Es ist ein Teufelskreis, in dem die Disney-Leute stecken, aber es ist derjenige, den das Kino seit seinen Anfängen kennt - das Kino als sakraler Raum, in dessen Dunkel sich das Individuum in einem Gemeinschaftserlebnis eigener Art verliert. Die (Wol-)Lust am Text, die hier befriedigt wird, darüber besteht kein Zweifel, ist heidnisch - schon deshalb hat die Kirche das Kino immer wieder radikal verpönt. Einem der vier Kinder bleibt denn auch am Ende das Paradies der Kindheit verschlossen: Susan, die als Teenager den Verlockungen der Welt verfällt - Nylons, Lippenstift, Partys.

© SZ vom 14.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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