Diebe als Kino-Helden:Genie und Gewalt

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Enteignung kann sehr sexy sein: Warum das Kino Meisterdiebe und Räuber liebt, dabei aber die brutale Realität oft ausblendet.

Fritz Göttler

Es war der Kino-Coup dieses Sommers: Johnny Depp in der Rolle des John Dillinger in Michael Manns Film "Public Enemies". Ein eher derber, bulliger Junge aus dem amerikanischen Mittelwesten, verkörpert von einem der eleganten, erotischen ewigen Jungen Hollywoods - unvergesslich, wie er nach kurzem Anlauf über den marmornen Banktresen flankt, im schwarzen Mantel, die MP in der freien Hand. Man spürt, diese weiten Schalterhallen, diese Tempel des Kapitals sind gebaut, um Macht und Potenz zu symbolisieren und die Unterwerfung all jener zu fordern, die sie aufsuchen.

Stilsicher und immer schussbereit: Johnny Depp in der Rolle des Bankräubers John Dillinger. (Foto: Foto: ap)

Es ist diese Herausforderung, die die Meisterdiebe bereitwillig angenommen haben, seitdem Robin Hood im Sherwood Forest der normannischen Herrscher-Clique das Leben schwermachte, und das gilt auch für die großen amerikanischen Kino-Gangster der Zwanziger und der Dreißiger, die man ihrer Rebellionen wegen feierte, deren Brutalität man dafür gern übersah: Dillinger, Bugsy Malone, Bonnie & Clyde. Das Geld, die Dollar- oder Franc-Millionen, die Meisterwerke aus dem Louvre oder aus Millionärsvillen, um die es in den großen Diebesfilmen geht, sind natürlich ein netter Nebeneffekt. Im Grunde aber ist jeder Coup ein Akt der Revolution gegen die Herrschaft der Reichen und Mächtigen - eine eigenwillige Deutung der berühmten Formel "Eigentum ist Diebstahl".

Absolut bewundernswert, welche Phantasie das Kino dabei entwickelt, mit welcher Präzision die Aktionen ablaufen, auf Sekunden und Zentimeter genau berechnet, einem Uhrwerk gleich, das an keinem Punkt gestoppt werden kann. Peter O'Toole, der die sensibelsten Sicherheitssysteme austrickst in "Wie klaut man eine Million?", aber auch ziemlich genau einplanen kann, wie Audrey Hepburn in bestimmten Momenten reagieren wird. Und Thomas Crown, dessen Bankraub von Regisseur Norman Jewison zu einem Meisterstück filmischer Montagekunst gestaltet wird, einer Vernebelungsaktion, in der alle Spuren verschwinden. Das war in den Sechzigern, als Pop und cooles Styling die Ästhetik beflügelten.

Bemerkenswert auch, wie sie sich selbst in Szene setzen. Steve McQueen hat als Thomas Crown das umgekehrte Verwandlungskunststück geliefert wie Johnny Depp mit Dillinger. Aus dem Cowboy und Jungen aus der Bronx wurde ein formvollendeter Gentleman, der sich in gehobenen gesellschaftlichen Kreisen bewegen konnte, elegant, sexy, ironisch. Boshaft runzelt er seine Stirn, nachdem er im Schachspiel mit Faye Dunaway seine Rochade gemacht hat. In der Neuverfilmung hat dann Pierce Brosnan den Thomas Crown gespielt, mit der Erfahrung einiger James-Bond-Jahre.

Seit den Fünfzigern ist der Meisterdieb immer auch erotischer Faktor gewesen - seit Cary Grant als John Robie, genannt "Die Katze", bei Hitchcock "Über den Dächern von Nizza" agierte. Um einen Dieb zu fangen, hieß es damals, braucht man einen Dieb. Die kriminelle Aktion wurde zum sinnlichen Doppel- und Dreifachspiel - als sie den Dieb Cary Grant fangen will, ist es nicht nur ihr Juwelenhalsband, das Grace Kelly ihm anbietet. Ihr Kuss unter dem Feuerwerk an der Cote d'Azur ist eine der ganz großen Raub-Szenen der Filmgeschichte.

Am Ende kommen die Meister des räuberischen Spektakels selbst nicht mehr klar mit ihrem Showbusiness. "L'ennemi public n° 1" Jacques Mesrine, der neben Dillinger in diesem Sommer im Kino seinen Auftritt hatte, verkörpert von Vincent Cassel, ist in Frankreich schon eine Art Nationalheld geworden, trotz seiner übersteigerten, exzentrischen, blutigen Gewaltexzesse - aber er regt sich schon jedes Mal auf, wenn einer seinen Namen falsch ausspricht.

Johnny Depp hat dagegen einen dezenten, fast schon mythischen Abgang gewählt. Sein Dillinger wurde erschossen, als er an einem Juliabend ein Kino in Chicago verließ. Dort hatte er sich einen Gangsterfilm angeschaut, mit Clark Gable. Das Kino hatte die Meister des Verbrechens aufgenommen.

© SZ vom 25.9.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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