"Die Turteltauben" auf Netflix:Wie verhält man sich als Paar auf einer Orgie?

Lesezeit: 2 Min.

Wenn der Alltag die Beziehung auffrisst, sind harte Rettungsmaßnahmen notwendig: Die Filmkomödie "Die Turteltauben".

Von Jan Jekal

Wer wieder Feuer in sein Liebesleben bringen möchte, sollte sich als Paar am besten in einen Mordfall verwickeln lassen. Das ist die Lektion von Michael Showalters lustiger Actionkomödie "The Lovebirds / Die Turteltauben", die auf Netflix zu sehen ist. Denn wenn man ungewollt zu Hauptverdächtigen wird und seine Unschuld beweisen muss, erwacht auch die verschlafenste Beziehung wieder zum Leben. Für Jibran und Leilani, gespielt von Kumail Nanjiani und Issa Rae, zwei der größten Comedy-Talente des amerikanischen Gegenwartskinos, klappt das zumindest bestens.

Am Anfang des Films sehen wir sie streiten. Sie kriegen sich über die Frage in die Haare, ob sie ein gutes Teilnehmerduo für eine Reality-TV-Schnitzeljagd abgäben, und Leilani bedauert, dass sie nie "freaky sex" hätten. Woraufhin Jibran zuvorkommend vorschlägt, sie könnten "freaky sex" doch in ihren Terminkalender aufnehmen. Am Ende des Films haben sie zwar Dinge erlebt, die im echten Leben eine posttraumatische Belastungsstörung nach sich zögen - ihrer trägen Beziehung aber das dringend benötigte Adrenalin injiziert. Das darf man verraten, denn die Komödie ist einer dieser Filme, deren Ende man vorwegnehmen kann, ohne etwas Bedeutendes zu enthüllen. Die Handlung ist ohnehin nur eine gute Ausrede, um zwei charismatische Comedy-Talente von einer absurden Situation in die nächste zu jagen. Es geht nicht um das Ziel der Reise, sondern darum, welche Witze auf dem Weg liegen.

Die Darsteller sind ein herrliches Duo, sie holen aus jeder Szene das Maximum an Slapstick heraus

Die beiden Protagonisten, harmlose Normalos, finden sich in immer neuen Situationen wieder, die sie heillos überfordern. Auf einer "Eyes Wide Shut"-haften Sektensexorgie zum Beispiel oder im Auto mit einem Psychopathen. Je irrer die Szenerie, desto abgeklärter und gelassener müssen sie sich geben, um nicht aufzufallen. Aus dem Spannungsfeld zwischen innerer Panik und der Notwendigkeit, cool zu bleiben, entspringt dann komisches Fehlverhalten. Niemand ist auffälliger unauffällig als Jibran und Leilani, die ihre rechthaberischen Kabbeleien auch nicht einstellen können, wenn es um Leben und Tod geht.

Als eine der wenigen Komödien, die noch ins Kino kommen, wo zwischen den ganzen Superheldenfilmen kaum noch Platz für klassische Comedy ist, hatte das Hollywoodstudio Paramount "Die Turteltauben" für einen Start im Frühjahr terminiert. Die Weltpremiere hätte zuvor beim Festival "South by Southwest" in Texas stattfinden sollen. Beides wurde mit der Pandemie hinfällig. Paramount verkaufte den Film an Netflix, so wie es gerade viele Studios machen.

Michael Showalter, der zuvor die schöne Liebeskomödie "The Big Sick" gedreht hat, ebenfalls mit Nanjiani in der Hauptrolle, erweist sich wieder als kompetenter Comedy-Mann. Er hat ein Händchen für Slapstick und einen guten Instinkt für die Besetzung - eine der wichtigsten Regisseurstugenden, die zu selten gewürdigt wird. Dass Showalter vom Fernsehen kommt - er hat unter anderem die Serie "Wet Hot American Summer" gemacht - sieht man auch seinen Filmen an: Er wählt nahe Einstellungen, wie für einen kleinen Bildschirm gedacht, weshalb es visuell kein allzu großes Drama ist, dass "Die Turteltauben" auf Netflix gelandet sind. Er verlässt sich auf seine Hauptdarsteller, und das ist auch das Beste, was er machen kann.

Nanjiani und Rae, den gesamten Film über im Krisenmodus, holen in jeder Szene aufs Neue das Maximum an Slapstick heraus, geben durch ihr Zusammenspiel dieser Paarbeziehung sogar eine Tiefe, die gar nicht im Drehbuch gestanden haben kann. In der vielleicht witzigsten Szene des Films verhören sie einen ahnungslosen Studenten, sind dabei aber so überfordert von der Situation und ihrer vorgespielten Härte, dass sie nur völlig sinnlose Fragen zustande kriegen. Die Geburtsstunde eines grandiosen Comedy-Duos.

The Lovebirds , USA 2020 - Regie: Michael Showalter. Drehbuch: Aaron Abrams, Brendan Gall. Kamera: Brian Burgoyne. Schnitt: Vince Filippone, Robert Nassau. Mit: Issa Rae, Kumail Nanjiani, Catherine Cohen, Paul Sparks. Netflix, 86 Minuten.

© SZ vom 26.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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