"Die Nibelungen" im TV:Recken, Stecken, Necken

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Minne bis zum Abwinken: Sat1 knallt uns die Geschichte vom tapfren Siegfried in die heimische Burg. Doch der Ausflug ins Mittelalter vertüddelt im kuscheligen Soft-Porno. Auch gut.

WILLI WINKLER

Der minnekundige Kürenberger lebte im späteren zwölften Jahrhundert im Bistum Passau und schrieb, als der Fürstbischof einmal nicht hersah, dies sondertraurige Liebesleidgedicht einer vieledlen Frau:

Die Geschichte: Der Siegfried ist ein Held... (Foto: Foto: dpa)

"Ich zôch mir einen valken mêre danne ein jâr./dô ich in gezamete als ich in wollte hân/und ich im sîn gevidere mit golde wol bewant,/er huop sich ûf vil hôhe und floug in anderiu lant..."

Das ist, sagt der ahnungslose, dem höfischen Mittelalter um einige Jahrhunderte entrückte Kulturstoffel, das ist doch Frauenschicksal, dass sich dieser haderlumpige Falke nämlich großziehen und nähren und pflegen lässt und dann doch abhaut und bestimmt zu einer anderen.

Ein Happen Wildpret

Dem Kürenberger dahinten im Innviertel war aber ernst mit seiner Minne, und er endete sein Lied deshalb mit dem herzensvollen Wunsch: "got sende si zesamene die gerne geliep wellen sîn!" Noch das ganze 19. Jahrhundert über galt der minnesingende Kürenberger als Autor des inzwischen zum deutschen Nationalepos erhobenen Großlieds.

Es war seine Strophe, mit der das Nibelungenlied anhub ("Uns ist in alten maeren wunders viel geseit"), es kommt auch der Falke drin vor, der erst aufgezogen wird und sich dann davonmacht, und es war wohl auch der Passauer Bischof, der (sagen wir der Einfachheit halber) dem Kürenberger den Auftrag gab, die zwischen dem weinseligen Burgund und dem fjordischen Norwegen oszillierende Wandersage von der Nibelunge Not niederzulegen.

Der Bischof wird seinem Sänger ein Winterquartier gestellt und vielleicht auch eine dienstbare Magd geschickt haben, die ihm sonntags ein verwachsenes Stück Wildpret in die Pfanne legte.

Damit der Dichter fleißig weiter schrieb an seinem Epos von Liebe und Leid und von heleden lobebaeren und von küener recken strîten, wird sie auch sonst für sein leibliches Wohl gesorgt haben. Eine Muse hat noch keinem Dichter geschadet, sagte der Fürstbischof zu seinem Cellerar, und spart uns außerdem Schürholz im rußenden Ofen.

Achtung, Tarnkappenbomber!

Der Kürenberger tat, wie gewünscht, er schrieb alles zusammen: die Geschichte vom tapfren Siegfried, der den Drachen absticht und um Kriemhild freit. Ehe er sie zur Eheliebsten bekommt, muss er aber ihrem Bruder Gunther helfen, die zache Brunhild zu gewinnen.

Die will mehrfach niedergerungen sein und muss schließlich doch nachgeben. Das gefällt ihr aber gar nicht, weshalb sie den Gunther, der auf sein Gattenrecht pocht, zum Bündel verschnürt an den Nagel hängt.

Der Tropf muss das ius primae noctis an den Schwager abtreten, und Siegfried greift neuerlich als Tarnkappenbomber ein, um der ungebärdigen Walküre zu zeigen, wo der Hammer hängt. Das wird unserem Blondmann aber gar nicht bekommen, und am Ende ist der tapfre Siegfried tot, gemeuchelt.

Kriemhild nämlich, ganz plapperseliges und schmälsüchtiges Weibsbild, hat etwas gar zu sehr mit der Potenz ihres großen Blonden geprotzt. Hagen von Tronje, der Gefolgsmann Gunthers wie auch von dessen gekränkter Gattin Brunhild, lässt sich von Kriemhild die einzige Stelle nennen, an der der durchs Drachenblut unverwundliche Siegfried zu treffen sei.

Kriemhild, im Glauben, den Siegfried zu schützen, gibt ihn preis, und Hagen, der böse, haut ihm wegen der verdammten ere den Speer hinein.

...bekommt natürlich eine Frau (Brunhild)... (Foto: Foto: dpa)

Mittelalter? Versteht doch kein Mensch

Das aufwändige Regelwerk des Hochmittelalters, die tragische Verstrickung, oder auch nur die Bindung selbst von Lehnensmännern an maze und triuwe ist dem heutigen Zuschauer kaum mehr zu vermitteln.

Das Mittelalter ist ihm doch zu fremd geworden, so formal, so streng alles, und wenn nicht irgendwo ein Mönch durchs Bild geistert oder zugewachsene Zwerge die Szene bevölkern und reichlich avalonische Nebel wallen, kennt er sein Tolkien-Mittelalter doch nicht wieder.

Drum hat die Tandem-Produktion Die Nibelungen vorsichtshalber überhaupt nichts mit dem mittelalterlichen Epos zu tun.

Der einzige interessante Aspekt, den die Drehbuchautoren Diane Duane und Peter Morwood der Sage noch abgewonnen haben, ist die mythisch beraunte Liebesgeschichte zwischen Siegfried und Brunhild, die der eigentlichen Nibelungen-Saga vorangeht.

Bloß keine Brustwarzen

Komischerweise sieht aber diese Affäre kaum anders aus als in einem kuscheligen Soft-Porno: Mann & Frau treffen sich, erkennen, als ein Meteor zwischen ihnen einschlägt, dass sie füreinander bestimmt sind und rubbeln ihre lagerfeuerbeleuchteten Leiber so dezent aneinander, dass auf keinen Fall weibliche Brustwarzen zu sehen sind.

Das nämlich hätte die Freigabe fürs jugendlichere Publikum verhindert, und ohne eine Ausstrahlung im amerikanischen Fernsehen samt Altersfreigabe ab neun Jahren rechnet sich die 20 Millionen Dollar teure Produktion nicht, wie die Produzentin Rola Bauer in schöner Offenheit bekennt.

Zwei Abende lang gibt es deshalb beim Kuschelsender Sat1 Kiefersfelder Ritterspiele, die zwar nicht Roland Emmerich, aber doch Uli Edel (Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnof Zoo, Die Nebel von Avalon) inszeniert hat.

Schwerter klirren, Feuer lodern, Burgen fallen, Recken schauen kühn, Jungfrauen vergessen alle Züchtigkeit, Posaunen schallen, vor dem Blue Screen wird gekämpft, dass die Schwarte kracht und nur ja nicht der Verdacht der Subtilität aufkommt. So ist aus den Nibelungen eine weltweit kompatible Schnurre geworden, in der die Darsteller weit hinter den Spezialeffekten zurückbleiben.

Der Drache hätte mal locker Godzilla platt gemacht

Im englischsprachigen Raum läuft der Zweiteiler daher als Kingdom in Twilight. Der Connaisseur von Trash-Kino kann nicht klagen: Es zwielichtet ordentlich, der Drache hat Godzilla-Format und tobt mindestens so fies wie das Monster in den Aliens. Wenn Benno Fürmann seinen kostbaren Leib im Drachenblut badet, sieht er unweigerlich aus wie der Sadomaso-Christus beim Hl. Mel Gibson.

Der Trailer bietet ein Gewinnspiel, mit dem man nach Südafrika an die "Original-Drehorte" der Nibelungen reisen kann. Wahrscheinlich kommen daher die neckischen Rastazöpfchen der Brunhild Kristanna Løken, die sonst wie "Conana die Barbarin" wirkt.

Für die Finanzierung der Ritterei sorgte der VIP-Medienfonds, in den deutsche Spekulanten sonst einzahlen, um Filme zu subventionieren, die dann an der Kinokasse möglicherweise durchfallen (Monster, Sieben Zwerge - Männer allein im Wald), was aber für steuergünstige Verlustzuweisungen sorgt, was es den solcherart Begünstigten wiederum ermöglicht, über das unflexible Deutschland zu jammern, das jede Initiative ausbremst.

Doch lieber ein Pausenbrot einpacken

Der Fonds verspricht in seinem Prospekt bei einer Investition von 9889 Euro am Ende der Laufzeit einen Ertrag von 50 031 Euro. Dem Kürenberger (wenn wir ihn noch mal als Autor des Nibelungenlieds annehmen wollen) wird, als er sein Werk ablieferte, XXXIX âventiuren und 2379 Strophen lang, der Bischof noch einen Zehrpfennig aushändigen haben lassen. Das war das Ende vom Lied.

Vielleicht dass ihm die Magd, die den Stubenhocker inzwischen recht lieb gewonnen, noch ein Pausenbrot für die Reise einpackt hat.

Die Nibelungen, Sat1, Montag und Dienstag, 20.15 Uhr.

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