Die "Mauer" zwischen USA und Mexiko:Die Verteidigten Staaten

Milliarden von Dollar fließen in den Versuch, den Wohlstand der USA einzuzäunen. Doch der Mammutzaun verfehlt sein Ziel.

Jörg Häntzschel

Dubai? Peking? Nein, die größte Baustelle der Welt befindet sich dort, wo bis vor kurzem Tumbleweed-Ballen durch den Sand rollten und nichts passierte, außer dass gelegentlich ein Güterzug durch die Städtchen heult: an der mexikanisch-amerikanischen Grenze.

Die "Mauer" zwischen USA und Mexiko: Zynisches Ausbauprogramm: Der neue Grenzzaun zwischen den USA und Mexiko soll Flüchtlinge in die Wüste und die Berge drängen.

Zynisches Ausbauprogramm: Der neue Grenzzaun zwischen den USA und Mexiko soll Flüchtlinge in die Wüste und die Berge drängen.

(Foto: Foto: dpa)

Heute jedoch herrscht entlang des 3000 Kilometer langen Streifens hektische Aktivität. Es ist nicht nur die Jagd auf illegale Einwanderer, die so hart wie nie zuvor geführt wird.

Ein neuer Zaun ist im Bau, der die einst weitgehend unbefestigte, ja unsichtbare Grenze unüberwindbar machen soll. Wäre der Anlass nicht so ernst, man könnte sich über die surrealistische Qualität der "Mauer" auslassen, wie sie alle nennen, und sie als staatliche Land-Art bezeichnen. Leider erinnert sie dafür zu sehr an die Front in einem Krieg.

Gut 500 Kilometer des neuen Zauns haben die mit schwerem, in Tarnfarben gestrichenen Baugerät quer durch das Land rollenden Einheiten der Nationalgarde bereits hochgezogen, bestehend aus einzelnen, sieben Meter hohen Segmenten mit armdicken Stahlröhren.

Was im Weg steht, wird niedergewalzt

Noch einmal so viel soll in diesem Jahr fertig werden. So sieht es der 2006 vom Kongress verabschiedete Secure Fence Act vor. Hier zehn Meilen, dort zwanzig, dazwischen große Lücken. Was dem Bau im Weg steht, wird niedergewalzt: Ob es die Einwände von Gemeinden und privaten Landbesitzern sind oder Gesetze zum Schutz von Pflanzen und Tieren - Michael Chertoff, der Chef der US-Heimatschutzbehörde, kann sie nach Gutdünken außer Kraft setzen. In Brownsville schneidet der Zaun mitten durch den Campus der University of Texas.

Teil des viele Milliarden Dollar teuren Aufrüstungsprogramms sind, neben dem Zaun selbst, mehr Kameras, mehr Flutlicht, mehr Bewegungsmelder, mehr Bodensensoren sowie die Aufstockung der Border Patrol. In den letzten Jahren hat die Grenzschutzbehörde Tausende neuer Kräfte eingestellt, und sie wirbt weiter aggressiv um Mitarbeiter. Bis Ende des Jahres sollen es 18.000 sein.

Doch trotz aller Bemühungen sind die Erfolge bescheiden. Die Zahl der Festnahmen ist mit jährlich rund einer Million seit Jahren etwa gleich geblieben. Und dass die Zahl erfolgreicher Grenzüberquerer gesunken ist, liegt, so glauben viele, vor allem an der wirtschaftlichen Malaise in den USA und den schärferen Kontrollen im Inland.

Die Zukunft der Grenze kann man fünfzehn Meilen südlich von San Diego erleben, in San Ysidro, dem mit rund fünfzig Millionen Menschen pro Jahr am stärksten frequentierten Grenzübergang der Welt.

Auf mexikanischer Seite drängen sich die Hütten von Tijuana, der heute im Drogenkrieg versinkenden einstigen Metropole des billigen Lasters. Auf US-Seite ist über die Jahre ein Dschungel aus Blockaden, Gittern und Überwachungsgerät gewachsen wie aus postapokalyptischer Science-Fiction.

Die Landschaft selbst wurde in den Dienst der Grenzsicherung gestellt: Hügel eingeebnet, Bäume gerodet, der Fluss verbarrikadiert. Und hier beginnt auch der Zaun, der in den Träumen vieler Grenzschützer eines Tages bis an den Atlantik reichen soll.

Bis 1994 war die Grenze zwischen Mexiko und den USA de facto offen, und Hunderttausende überquerten sie jedes Jahr illegal. Die "Operation Gatekeeper", verabschiedet unter Bill Clinton, war der erste Versuch, eine physische Barriere zu errichten.

Einander ja eigentlich nahe

Mit dem Bau des Zaunes begann man hier, wo der illegale "traffic" am dichtesten ist. Man bediente sich dazu der Wellbleche, die im Vietnamkrieg zum Bau von Landebahnen im Dschungel gedient hatten. Doch die Mexikaner gruben sich unter der im Wind flatternden Blechwand durch oder kletterten darüber. Und sehr weit reichte sie ohnehin nicht.

Außerhalb der Städte markierte, wenn überhaupt, nicht mehr als ein wenig Stacheldraht den Grenzverlauf. Die Leute beiderseits der Grenze fühlen sich einander nahe, teilen eine gemeinsame Vergangenheit. Schließlich gehörten große Teile des amerikanischen Südwestens bis Mitte des 19. Jahrhunderts zu Mexiko.

Wanderarbeiter kamen nach Norden, um bei der Ernte zu helfen, und kehrten anschließend wieder zurück. Doch je mehr sich die wirtschaftliche Schere zwischen beiden Ländern öffnete, desto länger blieben die Illegalen, desto öfter holten sie Frauen und Kinder nach.

Als der dramatische Verlust von amerikanischen Industriejobs an Länder wie China begann, schürte dies populistische Ressentiments gegen die Illegalen. Und es kam der 11. September. Im Zuge der neuen Wagenburg-Mentalität entdeckten Politiker die Grenze zu Mexiko als idealen Schauplatz für ihren Aktionismus. Die illegalen Einwanderer galten nicht länger als arme Hunde, sondern als potentielle Terroristen, Steuerbetrüger und Sozialschmarotzer, gegen die das Land verteidigt werden müsse.

Immer die gleichen Profiteure

So begann die Militarisierung von Amerikas Südgrenze im Krieg gegen den Terror, ein Unternehmen, das Aktivisten wie Robin Hoover von der Organisation Humane Borders mit dem Irakkrieg vergleichen: ein sinnloses, wenn auch spektakuläres Loch, in das mehr und mehr Milliarden geschaufelt werden.

Wie der Krieg ist auch die Grenzsicherung ein bedeutender privater Wirtschaftszweig geworden. Die Profiteure sind oft dieselben: Halliburton unterstützt die Nationalgarde beim Zaunbau; Boeing bekam den Auftrag für den "virtuellen Zaun", das kürzlich für gescheitert erklärte Experiment elektronischer Grenzüberwachung; Wackenhut ist mit seinen weiß-roten Bussen für den Transport der Festgenommenen zuständig; und ihre Strafe sitzen sie in den kommerziellen Gefängnissen der Corrections Corporation of America (CCA) ab.

Dass sich die USA am Rande einer Millionenstadt wie San Diego mit großem Aufwand gegen den Ansturm aus dem Süden abschottet, verwundert nicht. Doch erst wenn man ein paar hundert Kilometer nach Osten fährt, durch die menschenleeren, im Sommer 45 Grad heißen Wüsten, bekommt man eine Ahnung von dem schier unermesslichen Aufwand, der hier getrieben wird. Und von seinem unausweichlichen Scheitern. Amerikas Südgrenze dichtzumachen, das ist wie der Versuch, die Tür eines Hauses zu schließen, das keine Mauern hat.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, warum der Grenzzaun nach Auffassung von Menschenrechtlern "Tod erzeugt".

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