Fotoserie:Die Gläubigen (7)

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(Foto: Martin Schoeller)

Unsere Porträts von Gläubigen in New York. Rudy Guard Iola sieht wie ein Jockey aus, mit weiß-rotem Jacket und Helm, gehört aber zu der Glaubensgemeinschaft Santería. Dort gibt es Tieropfer und manchmal auch Dunkin' Donuts.

Foto und Protokoll von Martin Schoeller

New York ist der Ort mit der größten Zahl unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften. Der Fotograf Martin Schoeller porträtiert in seiner Kolumne jeden Freitag einen gläubigen Menschen aus dieser Stadt.

Rudy Guard Iola. Santería. Wir beten gemeinsam zu unserem Gott, manche nennen ihn Allah oder wie auch immer. Hauptsache ist, dass es nur einen gibt, aber viele Geister, die in der Luft schwirren. Während unserer religiösen Feier ergreifen die Geister Besitz von den Tänzern, das ist wundervoll. Wir bringen auch regelmäßig Tieropfer. Als Priester kröne ich Menschen, das ist wie eine Taufe. Erst haben sie weder Job noch Geld, dann schon. Ich halte viele Predigten, rede mit den Leuten, sage ihnen ihre Zukunft voraus. Ich will das Leben der Menschen besser machen, doch das ist schwer, weil du die Regeln der Welt nicht ändern kannst. Das Böse wird immer an erster Stelle stehen. Wir können nur versuchen mit unserem Glauben zu überleben. Nächstes Wochenende kröne ich zum Beispiel mein Patenkind. Die Krönung dauert sieben Tage und jeden Tag passiert etwas anderes. Es erscheinen unterschiedliche Tiere. Mein Patenkind muss die ganze Zeit mit mir in unserem Gebetsraum verbringen. Jeden Tag kommen Menschen und bringen ihr das zu essen, was sie sich gewünscht hat. Dunkin' Donuts zum Beispiel - sie bekommt wirklich alles was sie haben möchte. Nach der Zeremonie muss das Kind ein Jahr und sieben Tage komplett in weiß gekleidet sein. Bisher habe ich etwa 600 Leute gekrönt.

Ich fand meinen Glauben mit sieben Jahren. Eines Tages stand ich mit meiner Mutter an einer Bushaltestelle und sagte zu ihr: "Ich habe hier ein ungutes Gefühl." Wir sind ein Stück weiter gegangen und dann fuhr ein Bus in die Haltestelle, drei Menschen starben. Ich träumte dann von Kuba und spürte den Glauben. Es gibt eine heilige Schrift, einige lesen die auch, aber ich nicht. Die Bücher werden nur gemacht, um Geld zu verdienen. Unser Glaube ist ein Geheimnis, das sich so nicht erfassen lässt. Ich lerne lieber von den Menschen, ich beobachte sie. Und ich schaue gerne dabei zu, wie jemand eine Ziege tötet. Oder ein Lamm. Wie das durchgeführt wird und was dabei gesungen wird, interessiert mich. Ich denke der Körper stirbt, doch der Geist ist unsterblich.

© SZ vom 26.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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