"Die Feder des Greifs":Moral in der Magie

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Cornelia Funke lebt und arbeitet seit gut zehn Jahren in Kalifornien. (Foto: Joerg Schwalfenber)

Cornelia Funke setzt den "Drachenreiter" fort. Der Drache ist ihr Symbol der Natur und der Wildnis in ihr selbst.

Von Roswitha Budeus-Budde

Sie hat ihren vielen Lesern endlich den Wunsch erfüllt; nach 19 Jahren schrieb Cornelia Funke mit "Die Feder eines Greifs" die Fortsetzung des "Drachenreiters". Eine lange Zeit liegt zwischen beiden Büchern, in der sich nicht nur die Geschichte der Freundschaft zwischen dem Waisenjungen Ben und seinem Silberdrachen Lung verändert hat, sondern auch das Leben der Autorin.

Funke, 1958 in Dorsten, zwischen Münsterland und Ruhrgebiet geboren, arbeitete drei Jahre als Erzieherin auf einem Bauspielplatz in Hamburg. Als begeisterte Vorleserin sammelte sie hier die Erfahrungen für ihr Schreiben. Sie erzählt noch heute, dass sie nie ihre Mädchenreihe "Die wilden Hühner" oder den Venedig-Kinderkrimi "Herr der Diebe" ohne diese Jahre geschrieben hätte, in denen sie erlebte, was Kinder wirklich beschäftigt. Gleichzeitig begann sie - nach einem Studium als Buchillustratorin an der Fachhochschule für Gestaltung in Hamburg - Texte für Verlage zu illustrieren. Und merkte bald, dass sie nur in Geschichten, die sie selbst schrieb, ihre Vorliebe von Magie und Fantastik in den Bildern ausleben konnte.

Schon damals, in ihren Anfängen als Künstlerin, wollte sie keine Kompromisse eingehen. Und daran hat sie sich ihr Leben lang gehalten, auch als sie vor mehr als zehn Jahren mit ihrer Familie nach Kalifornien zog. Dort gründete sie 2015 ihren eigenen kleinen Verlag "Breathing Books" nachdem sie bei "Little und Brown" Schwierigkeiten mit ihrer "Reckless-Reihe bekam. Und in Deutschland erscheinen seit diesem Jahr ihre Hörbücher auch in dem eigenen Label: "Atmende Bücher".

Die internationale Karriere von Cornelia Funke begann in den USA wie ein Märchen. Durch Eigeninitiative und über freundschaftliche Verbindungen schaffte es "Der Herr der Diebe", bereits ein Erfolg in Deutschland, auf den amerikanischen Buchmarkt und stand 20 Wochen auf den Bestseller-Listen der New York Times. "Meine Erfahrungen in den USA waren unglaublich positiv. Die Buchbranche hat weniger Schubladendenken als bei uns. Ich war erstaunt über die Leselust und die öffentliche Förderung der Bibliotheken."

Hier, in den USA - seit dem Sommer lebt sie in Malibu, direkt an der Lagune - begann nun ihr unermüdliches Schreiben, entstanden ihre großen Erfolge, zum Beispiel die "Tintenherz"-Trilogie, zu der eine Fortsetzung erscheinen wird unter dem Titel "Die Farbe der Rache", wie sie in einem Interview des SWR verriet.

Auch am vierten Band der "Reckless-Reihe", dieser Weltreise auf den Spuren der Magie, schreibt sie bereits. Zur Vorbereitung war sie wieder auf Recherche-Reise, dieses Mal in Japan, das Eintauchen in fremde magische Welten stimmt sie ein auf ihren Text. "Währenddessen entstehen die Plots, die Figuren. Beim Schreiben ändert sich das noch mal, und ab Seite 100 kann man sagen, dass die Figuren machen, was sie wollen. Meist ist der Anfang leicht, weil ich ein Bild im Kopf habe. Die ersten Kapitel, so bis 25, habe ich vorgeplant, aber dann fängt der Stoff an sich zu entwickeln, aber anders, als ich gedacht habe. Wenn man das nicht zulässt, wird die Geschichte nicht gut. Man muss über diese Klippe springen und dann wird es sehr aufregend. Ich habe immer ein Ziel, aber nie eine Auflösung."

"Drachen sind für mich ein Symbol der Natur und der Wildnis in mir selbst"

Bis auf ihre Mädchenbuchreihe "Wilde Hühner", die sie nur für die Leserinnen schrieb, wie sie immer betont, spielen ihre großen Erfolge in fantastischen oder magischen Welten. Doch sie will mit der Fantasie der Realität näherkommen, auch um zu zeigen, dass die Welt ganz anders aussehen könnte. So wird in "Die Feder eines Greifs" der Kampf um das ökologische Gleichgewicht der Erde in die magische Welt von Ben und Lung verlegt. Der Junge lebt inzwischen bei Adoptiveltern in Norwegen, die eine Organisation zum Schutz der Tierwelt der Fabeln gegründet haben. Es geht nun um das Überleben des von Aussterben bedrohten Pegasus. Das gelingt nur mit einer magischen Feder, die von Greifen stammen muss, schrecklichen Geschöpfen, die im Urwald in Indonesien leben. Eine Expedition bricht von Norwegen auf, Teilnehmer sind neben den Helden aus dem ersten Band - zum Beispiel Fliegenbein, eine Lieblingsfigur der Autorin -, eine große Schar von magischen und menschlichen Helfern, 133 werden im Anhang aufgeführt, damit man sie in der mäandernden spannenden Handlung nicht verliert. In der sich auch wieder die Freundschaft zwischen Ben und Lung bewähren muss. Das Buch ist kostbar ausgestattet, mit längeren Zitaten am Anfang der Kapitel und Zeichnungen der Autorin. Sie sollen die Geschichte nicht nur visualisieren, sondern dienen ihr beim Schreiben als Probebühne, um sich ihre Protagonisten und deren Rolle in der Geschichte besser vorstellen zu können.

"Die Feder eines Greifs" ist neben der gewohnten Spannung ernsthafter und moralischer: "Ich habe die Geschichte nicht für die geschrieben, die die Welt regieren wollen", betont sie im Vorwort. "Diese Geschichte ist für all die, die den Mut haben, zu beschützen statt zu beherrschen, zu behüten statt zu plündern und zu erhalten, statt zu zerstören." Und warum immer wieder Drachen, wurde sie im Interview des SWR gefragt. "Sie sind für mich ein Symbol der Natur und der Wildnis in mir selbst."

Cornelia Funke, "Die Feder des Greifs", Freitag, 11. November, 15.30 Uhr, Volkstheater.

© SZ vom 03.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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