Yilmaz Dziewior, der Direktor des Museums Ludwig, wird im nächsten Jahr den deutschen Pavillon der Biennale von Venedig kuratieren. Wir sprachen mit ihm über seine Pläne.
SZ: Wie sieht Ihr Konzept für Venedig aus?
Yilmaz Dziewior: Mich hat in meiner Arbeit immer sehr der Kontext interessiert. Und das drängt sich im deutschen Pavillon mit seiner monumentalen Architektur von 1938 geradezu auf. Es gibt eine lange Tradition von Beiträgen, die auf die Geschichte des Gebäudes Bezug nahmen. Zwei halte ich für besonders gelungen: Den von Hans Haacke, der 1993 den Marmorboden zerbrochen hat, und die "Faust"-Performance von Anne Imhof von 2017. Die historische und die performative Haltung dieser beiden Arbeiten definieren das Spannungsfeld, das mich interessiert.
An welche Künstlerin oder welchen Künstler denken Sie?
Es wäre zu früh, das jetzt zu benennen. In der Vergangenheit haben mich eher die Einzelpositionen überzeugt. Aber auch dadurch möchte ich mich nicht in meiner Freiheit des Denkens beschränken lassen. Falls die Biennale im Mai 2021 eröffnet, gehen wir im Herbst an die Öffentlichkeit.
Es heißt jetzt oft, durch die Corona-Krise werde sich alles verändern. Wie wichtig ist dieser Gedanke bei Ihrer Suche nach einem Künstler?
Man kann und muss jetzt alles anders denken. Eine so globale Zäsur wie diese Pandemie wird alle Haltungen beeinflussen, die von Kuratoren, Kritikern und Künstlern. Das muss sich auch in dem Beitrag widerspiegeln.
Die Biennale ist eine Nationenschau. Im Zuge der Covid-Krise wird das Nationale wieder enorm aufgeladen. Wollen Sie diese Tendenz dort problematisieren?
In einem Kuratoren-Chat zu meiner Benennung wurde ich als "deutsch-polnisch-türkischer Kurator" bezeichnet. So reflektiert auch meine Person den Kontext, dass das Nationale so nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Deshalb will ich einen neuen Umgang mit der Länderdefinition finden. Gerade weil die Nationalstaatlichkeit so präsent ist, wenn man vor dem deutschen Pavillon steht. Sich diesem Ausdruck zu verweigern, war immer Anliegen der ausstellenden Künstler. Allerdings gibt es in diesen Diskussionen viele Fallen.
Welche Fallen meinen Sie?
Die Erwartung, dass ich als "deutsch-polnisch-türkischer" Kurator nun unbedingt einen türkischen oder polnischen Künstler auswählen muss. Das wäre sicherlich eine Reaktion auf die neue Betonung des Nationalen. Aber wäre das die beste? Sicherlich nicht, wenn es sich als Statement darauf beschränkt. Entscheidend wird sein, wie man das Spannungsverhältnis zum Ort mit differenzierter Kunst reflektiert.
Wird die Biennale nächstes Jahr überhaupt stattfinden können?
Im August soll ja die verschobene Architektur-Biennale eröffnen. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass das möglich ist. Deswegen habe ich die stille Hoffnung, dass die Architektur-Biennale auf 2021 verschoben wird und die Kunstbiennale auf 2022.
Zuletzt sind kulturelle Großevents wie die Biennale in die Kritik geraten, weil sie starke Verursacher von Klimagasen sind. Sind sie angesichts der drohenden Klimatastrophe noch zeitgemäß?
Ich versuche schon länger, meine Flugreisen so weit wie möglich zu reduzieren. Und nach Corona werden wir alle mehr per Videokonferenz kommunizieren. Aber dass gerade Kunst-Events so stark kritisiert werden, halte ich für falsch. Der kulturelle Austausch, den sie ermöglichen, ist in seinem Kern sehr nachhaltig.
Der deutsche Pavillon hat bei den letzten zehn Biennale-Ausgaben dreimal den Goldenen Löwen gewonnen. Ist das auch Ihre Ambition?
Ich bin da sehr zwiegespalten. Das Höher, Schneller, Weiter entspricht überhaupt nicht dem Wesen der Kunst. Wettbewerb ist eine kunstferne Idee. Unser Ziel ist es, einen Beitrag zu erschaffen, mit dem die Beteiligten zufrieden sind. Wenn unsere Zufriedenheit sich deckt mit der Anerkennung von außen, freuen wir uns.