Deutscher Alltag:Was bleibt

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Manche fordern das Ende der Rücktreterei, dabei sollten sich einfach nur die Richtigen dazu entschließen. Mögliche Kandidaten: Theo Zwanziger, Die Linkspartei oder der HSV.

Kurt Kister

Erstaunlich. Diese Woche scheint die erste seit ungefähr vierzehn Jahren gewesen zu sein, in der keiner zurückgetreten ist, sondern zwei, Joachim Löw und Oliver Bierhoff, geblieben sind, obwohl jeder Einzelne von ihnen genug Gründe für einen Rücktritt gehabt hätte. Bei Löw fallen einem ein: die T-Shirt-Pullover unter dem Sakko, der Dialekt, das halbpfeifende Einziehen der Luft beim Reden, die Frisur und natürlich Doktor Theo Zwanziger. Bei Bierhoff kommt man spontan auf folgende Rücktrittsgründe: Joachim Löw, das Fernstudium, das gelegentliche Blockieren der Zapfsäule Nummer 4 an der Tankstelle in Percha und natürlich Doktor Theo Zwanziger. Zusammengenommen sind das sieben gute Gründe mehr für einen Rücktritt, als Ole von Koch und Christian Beust jemals auf Sylt erfinden konnten.

Löw und Bierhoff bleiben, dabei hätten sie eigentlich genug Gründe zu gehen: T-Shirt-Pullover unter dem Sakko, der Dialekt, das Fernstudium - und natürlich: Theo Zwanziger. (Foto: dpa)

Ein Leben ohne Talkshows

Die geschätzte FAZ hat jetzt ein Ende der "Rücktreterei" gefordert. (Die Überschrift war bestimmt von Schirrmacher, weil der gerne Substantive bildet, die mit "-ei" aufhören.) Einerseits kann man das unterstützen, denn allmählich wird es wirklich langweilig, dass jede Bischöfin und nahezu jeder Unions-Ministerpräsident in den Sack hauen. Andererseits gibt es noch eine Menge Kandidaten, von deren Rücktritt man durchaus hören möchte.

Horst Seehofer zum Beispiel könnte die wunderbare Begründung anführen: "Es gibt im Leben noch mehr als Horst Seehofer." Gerne würde man auch noch zurücktreten sehen: Josef Schlarmann, den chronischen Merkel-Kritiker von der CDU-Mittelstandsvereinigung ("ich habe eingesehen, dass ich nicht dauernd herumsülzen soll"), Karl Heinz Däke vom Steuerzahlerbund ("möchte ich ein Leben ohne Talkshows") sowie natürlich Doktor Theo Zwanziger ("ich mache mit Schiri Amerell eine Herrenbudike in Wuppertal auf").

Verschwinden in den Nebeln der Melancholie

Was bisher gefehlt hat, ist der Massenrücktritt, das kollektive Verschwinden in den Nebeln der Melancholie. Gemeinsam nach Hause gehen könnten zum Beispiel: die Abgeordneten der Linkspartei ("wir waren in der Bundesversammlung doof und außerdem war die DDR ein Unrechtsstaat"), das Bundesland Schleswig-Holstein ("wir haben erkannt, dass wir zu Dänemark gehören") sowie die Fußballmannschaft des HSV ("wir werden nie Meister und möchten Asyl beim FC St. Pauli").

Leider wird das alles nicht passieren. Die Rücktreterei wird wohl eine Modeerscheinung dieses Sommers bleiben, auch wenn der FDP-Generalsekretär Christian Lindner sowie der Söder-Generalsekretär Markus Söder insgeheim darauf hoffen, das Virus könne im Herbst noch Parteivorsitzende, in erster Linie jene der FDP und der CSU, befallen.

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