Deutscher Alltag:Kann Fuchs Kanzler?

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Was in Berlin der Natur, also dem Tiergarten, am nächsten liegt, ist das Kanzleramt. Es ist daher nicht ungewöhnlich, wenn einem dort ein Fuchs begegnet. Ungewöhnlicher wäre, wenn Angela Merkel glanzäugig einen Waschbären kraulen würde.

Kurt Kister

Es ist nicht ungewöhnlich, dass einem am Reichstag ein Fuchs entgegenkommt. Nein, das ist keine blöde Metapher über irgendwelche besonders erfahrenen Abgeordneten, sondern gemeint ist tatsächlich der Rotfuchs, vulpes vulpes.

Trotz mitunter tosendem Straßenlärm lassen sich mitten in der Berliner Innenstadt immer mehr Füchse häuslich nieder. Hier ein junger Rotfuchs aus der Hauptstadt. (Foto: dpa/dpaweb)

Eigentlich gehört der Fuchs nicht in die Innenstadt. Andererseits tut ihm da kaum jemand etwas und er kann im Tiergarten die Reste jener vielen Grillfeste mit Migrationshintergrund fressen. Seit geraumer Zeit, mindestens seit der großen Koalition, findet man im Regierungsviertel immer mehr moderat marodierende Halbwildtiere wie Füchse, Waschbären oder ab und an gar eine Wildsau. In Bonn, das wissen Veteranen, sah man höchstens mal spätabends drei Hasen die Grünfläche vor dem Bundesrat vollkötteln.

Der Natur, also dem Tiergarten, am nächsten liegt, man mag es glauben oder nicht, das Kanzleramt. (Das Schloss Bellevue soll außer Acht gelassen werden, weil von dort aus niemand nichts regiert, und der Bundespräsident außerdem weniger bewirkt als ein schweifender Fuchs, der am Café Einstein auftaucht.)

Zwar geht Angela Merkel im Urlaub wandern, nähert sich also bewusst der Natur an. Dennoch traut man ihr nicht zu, dass sie sich für Tiere interessieren könnte, es sei denn, diese wären gebraten oder politisch irgendwie nützlich. Merkel glanzäugig einen Waschbären kraulend? Nein, das ist ebenso unwahrscheinlich wie etwa eine Leidenschaft von Thomas de Maizière für Hummel-Figuren. Was an dieser Regierung noch nicht erodiert ist, ist in keinem Falle sentimental.

Nun ist der Fuchs als solcher auch nicht sentimental, genau so wenig wie das Wildschwein. Blöd ist er auch nicht. Der Fuchs, so ist anzunehmen, wüsste schon, was er zu tun hätte, wenn sich Claudia Roth mit gespitztem Kussmund auf ihn stürzte oder Jürgen Trittin behauptete, er habe sich schon immer um Füchse gesorgt. Nein, der Fuchs weiß wohl, dass die Grünen, zumal Trittin, auch nur Angela Merkel mit anderen Mitteln sind. Im Regierungsviertel sorgt man sich um den Fuchs, wenn es opportun erscheint. Tut es das nicht, wird er von der Fahrbereitschaft überrollt: "Tut mir leid, hab das Tier nicht gesehen."

Nur die SPD wäre da anders. Wahrscheinlich würde sie den Fuchs erst dann bemerken, wenn er neben Andrea Nahles im Parteivorstand säße. Täte er Letzteres, was man ihm als Tierfreund nicht raten möchte, würde die SPD eine Mitgliederbefragung veranstalten, ob man dem Fuchs ein Parteiamt anbieten könnte. Haben ja nicht mehr so viele Kandidaten, die Sozen. Und charismatischer als der Steinmeier wäre der Fuchs allemal.

© SZ vom 18./19.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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