Design-Auktion II:Das Bestiarium der Gebrüder Martin

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(Foto: Phillips)

"Wally Birds" heißen diese Keramikkreaturen. Jetzt stehen 23 zum Verkauf.

Von Alexandra González

Eine Prise viktorianische Hinterlist würzt derzeit die Adventstimmung an der Park Avenue. Wie sonst sollte man die Ausstrahlung dieses Bestiariums eines britischen Sammlers beschreiben, das gerade im New Yorker Quartier von Phillips präsentiert wird. Das ewige dritten der großen Häuser versteigert bei seinen Design-Auktionen am 15. Dezember 23 Steinzeug-Grotesken aus dem Atelier der Gebrüder Martin. Die grinsenden Janusköpfe, tückisch lächelnden Gürteltiere und sogenannten Wally Birds mit ihren menschlichen Gesichtszügen gehören zum Besten, was Robert Wallace, Walter, Edwin und Charles Martin zwischen 1873 und 1910 in ihrer Londoner Manufaktur ausbrüteten.

Angetrieben vom kunsthandwerklichen Ethos der Arts-and-Crafts-Bewegung, produzierten sie Gefäße in der Gestalt fantastischer Kreaturen. Inspiration fand das exzentrische Quartett in John Tenniels Illustrationen für "Alice hinter den Spiegeln" und den Tier-Cartoons, die Ernest Griset zu Darwins Evolutionstheorie einfielen. Selbst die Fratzen gotischer Wasserspeier dienten ihnen als Anregung für ihre kuriosen Töpfe, Krüge und Vasen. Hauptsache, dem Schaurigen wohnte ein drolliger Aberwitz inne. Intensiv arbeiteten diese Pioniere der Studio-Keramik an der Oberflächengestaltung. Für ihr Steinzeug verwendeten sie ausschließlich Salzglasuren. Charakteristisch sind ein halbmattes, gesprenkeltes Finish und eine gedämpfte, erdige Farbpalette.

Mit den Wally Birds wurden Klerus, Justiz und die politische Klasse auf die Schippe genommen. Je deutlicher der personifizierte Ausdruck des Vogels, desto höher sein Preis. Toplos ist daher die auf 100 000 bis 150 000 Dollar geschätzte Karikatur des einstigen britischen Premiers Benjamin Disraeli. Zu dieser kühnen Taxe fühlt sich Phillips ermuntert, nachdem 2014 eines der Geschöpfe bei Woolley & Wallis in Salisbury den Rekordpreis von 75 000 Pfund erzielte.

Nicht immer muss man für den skurrilen Charme der Martinware so tief in die Tasche greifen: Ein musizierender Kobold war in der British Art Pottery-Auktion bei Woolley & Wallis am 25. November schon für 2000 Pfund zu haben und Miniatur-Kürbisvasen gab es für wenige hundert Pfund. So mühelos geht ein echter Wally Bird freilich niemandem ins Netz.

© SZ vom 12.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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