Der neue Asterix:Die Ga..., die Ga... - nun vollends gaga!

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Einstmals Comic für Millionen und nun das: Fade Witze, noch fadere Ufos und unerträglich fade Geheimnistuerei - Der neue "Asterix" ist da und mit ihm Superman und Mangas und Alien-Armadas. Will man alles gar nicht wissen.

TITUS ARNU

Ein paar Mal war es beinahe so weit. "Der Himmel ischt unsch auf den Kopf gefallen!" meinte eine Arvernerin schon vor Jahren. "Ich sag dir, uns ist der Himmel auf den Kopf gefallen!", heulte ein gallischer Gauner, nachdem er vermöbelt worden war. "Jetzt ist's passiert! Ich hab's ja gewusst! Uns ist der Himmel auf den Kopf gefallen!", war sich Majestix in "Die Trabantenstadt" sicher. Es passierte - Belenus sei Dank - dann doch nie.

Da sind wir jetzt: Alle IX! Kapiert? Lustig, gell? (Foto: Foto: Ehapa)

Aber im neuen Asterix-Abenteuer, das gestern erschien, kommt es zum Äußersten. Im Original heißt der neue Band "Le ciel lui tombe sur la tête", und das bedeutet auf Deutsch: "Der Himmel fällt ihm auf den Kopf". Wem eigentlich genau? Auf dem Cover sind Asterix und Obelix zu sehen. Warum die deutsche Ausgabe "Gallien in Gefahr" heißt, ist ebenfalls ein Rätsel. Machtnix. Denn jeder neue Asterix-Band wird ein Mega-Bestseller, egal, ob er gut ist oder nicht.

Das erste Comic-Album mit den rauflustigen Galliern erschien 1961 mit einer Startauflage von 6000 Exemplaren. "Gallien in Gefahr", das 33. Abenteuer, kommt mit einer Auflage von acht Millionen Exemplaren auf den Markt, davon werden allein 2,4 Millionen Stück an Buchhandlungen und Kioske in Deutschland, Österreich und der Schweiz geliefert. Damit schlägt Asterix sogar Harry Potter: Der sechste Potter-Band ging mit einer Auflage von zwei Millionen in deutscher Sprache an den Start.

Aber die Geheimnistuerei um den neuen Potter ist nichts gegen die des französischen Asterix-Übervaters Albert Uderzo. Bevor der 33. Asterix-Band gestern zeitgleich in 27 Ländern erschien, durfte niemand auch nur eine Sprechblase über den Inhalt ausplaudern. Buchhändler mussten eidesstattliche Erklärungen abgeben, dass sie das Heft nicht vor dem 14. Oktober verkaufen - und alles nur, um die Neugier der Fans, die seit drei Jahren auf eine neue Geschichte warten, ins Unerträgliche zu steigern. Albert Uderzo, Zeichner und Autor der gallischen Geschichten, ist der Imperator eines millionenschweren und mächtigen Reiches. Der Comic-Cäsar hat die Geheimniskrämerei perfektioniert. Er hat es geschafft, die Presse zu fesseln und zu knebeln, wie den Barden Troubadix vor den Banketten im gallischen Dorf. In Brüssel fand vor zwei Wochen eine Pressekonferenz statt, bei der der 78-jährige Uderzo das Titelbild präsentierte, aber ansonsten nicht gerade an Titus Redeflus erinnerte, den wortreichen Verteidiger aus "Die Lorbeeren des Cäsar". Zu allen inhaltlichen Fragen schwieg der Meister. Nur so viel verriet er: Die neue Geschichte sei "ganz anders" als alle bisherigen.

Am Anfang scheint alles in Ordnung in dem wohl bekannten gallischen Dorf, am Ende gibt es wie immer ein Bankett. Handlung und Bildentwürfe stammen wie schon bei den letzten sieben Bänden von Uderzo, die Feinarbeiten erledigten Zeichner und Koloristen. Auf sie war der Franzose von Anfang an angewiesen, denn Uderzo ist farbenblind.

Die Story wirkt auf langjährige Fans tatsächlich verblüffend. Was die Leser ebenso schocken dürfte wie Obelix, ist die Tatsache, dass die Wildschweine zu Statuen erstarren. Auch die Bewohner des gallischen Dorfes stehen wie Hinkelsteine herum. Alles wirkt wie versteinert. Und am Himmel hängt eine gigantische goldene Kugel - wie ein außerirdisches Raumschiff. Schließlich tauchen auch noch Außerirdische, Schwarzenegger-Klone und eine Art Micky Maus auf.

Ging es im Dorf der Unbeugsamen früher nicht bodenständiger und lustiger zu? Da kalauerten die Gallier über Westgoten, Ostgoten und sonstige urdeutsche Witzfiguren, diskutierten über die "hellenischen Topfgesetze" und veralberten die ollen Römer und ihren Chef: " Hallo alter Julius!" Die Scherze des Jahres 2005 wirken dagegen zum Teil so "schlappschlappschlapp" wie der römische Statthalter Gracchus Überdrus.

Im echten Leben anno 2005 kennt Uderzo anscheinend auch keinen Spaß mehr. Brachial geht er gegen Namensklau und geschwätzige Mitarbeiter vor. Die Übersetzungen seiner Comics lässt er sich stets ins Französische zurücktransferieren, um zu lesen, ob alles mit rechten Dingen zugeht.

Asterix und Obelix sind schließlich eingetragene Marken des Verlags Les Éditions Albert René (Paris), der Albert Uderzo gehört. So wurde der Inhaber des Markennamens "MobiliX" (für "Mobiles Unix") wegen angeblicher Verwechslungsgefahr mit "Obelix" verklagt. In Berlin musste ein Tonstudio den Firmennamen "Masterix" aufgeben - ebenfalls wegen Verwechslungsgefahr.

Das hält Plagiatoren nicht ab. Vor der Bundestagswahl 2005 kursierte im Internet die 44-seitige PDF-Datei "Asterix und der Kampf ums Kanzleramt", mit Majestix als Schrödix, Maestria als Angela Merktnix, Guidefix, Miraculix als Münteferix, Stellartoix (aus Asterix bei den Belgiern) als Läuftfortwienix (Lafontaine) und Bavarix (Stoiber).

Uderzo verfolgt solchen Missbrauch scharf, denn Asterix und Obelix sind schützenswertes Kulturerbe. Allerdings geht der gute Geist der Gallier vor allem auf René Goscinny zurück. Der Szenarist Goscinny hat die Serie maßgeblich geformt. Er erfand die besten Geschichten, füllte die Sprechblasen mit Anspielungen und intelligenten Sprachspielereien - und schuf so die Grundlage des großen Erfolgs der inzwischen über 300 Millionen Mal verkauften Comics.

Den frühen Tod seines Texters hat Uderzo nie verschmerzt. Am 5. November 1977 war Goscinny zum Arzt gegangen. Er war damals 51 Jahre alt, rauchte und trank gerne Wein, die Untersuchung war als Routine-Check gedacht. Goscinny starb in der Arztpraxis an Herzversagen. Uderzo zeichnete gerade an der Episode "Asterix bei den Belgiern", als er die Nachricht bekam. Erst wollte er Asterix auch sterben lassen, ließ sich dann aber von seinem damaligen Verlag Dargaud zum Weitermachen überreden.

Langjährige Asterix-Fans kritisieren an den neueren Bänden, die Uderzo alleine textete, eine gewisse Verflachung. Die Wortwitze sprudeln nicht mehr so, die Anspielungen sind zum Teil platt, viele Gags sind nur Variationen alter Witze.

Ein Trost bleibt den Fans. Der Himmel kann einem nicht wirklich auf den Kopf fallen, und gegen die Angst davor gibt es ein Rezept, nachzulesen im Band "Der Kampf der Häuptlinge". Der Psychiater Amnesix kuriert einen Gallier von seiner Furcht, indem er ihm einen verblüffenden Tipp gibt: einfach auf den Händen laufen.

© SZ v. 15.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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